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Der Canyon, die Stadt und Street Photography

Cotahuasi

Canyon Cotahuasi – Peru – der tiefste Canyon unseres Planeten. 3354 Meter tief, mehr als zweimal so tief als der Grand Canyon in den USA. Grund genug für mich einen „kurzen“ Abstecher dorthin zu machen. Die Anfahrt war mal wieder lange und beschwerlich. Mehr als acht Stunden waren für die knapp 320 Kilometer nötig. Am Ende finde ich mich auf einem 4800 Meter hohen Pass wieder. Eigentlich nichts Neues. Es war wieder kalt und trocken. Auch dieser Teil von Südamerika gehört noch zum Altiplano.

Heute will ich mal nicht über mein Motorrad und all die Strapazen der Weltreise berichten. Was für Außenstehende sehr abenteuerlich und einzigartig klingt, wirkt auf mich mittlerweile doch sehr gewöhnlich, ja schon alltäglich. Nach mehr als drei Monaten im Hochland verlieren die vielen rauen, einsamen Straßen doch etwas an Faszination.

Motorradfahren ist schön – aber noch mehr begeistern mich Land und Leute, die Kulturen. Die Menschen hier leben anders als Zuhause. Dumm wäre – nicht auch das mit aufzunehmen. Eindrücke die eine Reise besonders machen, Eindrücke die ich nicht missen möchte. Je länger ich reise – desto näher fühle ich mich den Menschen. Meine Spanischkenntnisse haben sich deutlich verbessert. Hemmungslos finde ich mittlerweile leicht in verschiedene Gespräche. Ob mit Kinder, Jugendlichen, Männern, Frauen oder Leuten der älteren Generation. Es spielt keine Rolle!

Jede Unterhaltung ist eine Bereicherung und erweitert meinen persönlichen Horizont, meine Denkweise, meine Sicht auf unseren Planeten enorm.

 

Cotahuasi am Morgen
Cotahuasi am Morgen

 

Genug der Einleitung: Zurück zum Canyon. Das Ziel Cotahuasi – das Städtchen. Von Anfang an werde ich von vielen freundlichen Leuten umringt. Durch die Abgeschiedenheit des Ortes leben viele Peruaner hier noch sehr traditionell. Ich sehe viele Bauern auf ihren bunten Feldern, Frauen in schmückenden Kleidern, Handwerker auf den Straßen und auch Menschen die schon mehr im modernen Zeitalter zu leben scheinen. So gibt es auch hier schon Internetcafés, Computer (klar), moderne Autos und ziemlich hübsche Hostels oder Hotels. Der Ort entwickelt sich über die Tage für mich zum eigentlichen Highlight des Canyons. Ich will mich mal intensiver mit der Fotografie von Menschen befassen. Street Photography nennt man das wohl – Was auch immer! Anbei mal ein paar Eindrücke von meiner morgendlichen „Streetsafari“.

Zum Morgen gegen sechs Uhr will ich das Hostel verlassen. Zu solch früher Stunde erwacht das kleine Städtchen gerade aus seinem Tiefschlaf. Ich erwarte ruhiges Treiben in den Straßen. Das „ruhige Treiben“ findet wohl auch im Hostel selber statt. Alle Türen verschlossen, gefangen in der Unterkunft! Hmmm – das ist nun doch etwas frustrierend für einen Fotografen. Das schöne Licht zum Morgen ist sicherlich bald weg. Unbegründete Sorgen! In der Ruhe liegt ja bekanntlich die Kraft. Mit der großen Kamera in der Hand, komme ich mir doch etwas komisch vor. Auf solche Frühaufsteher sind die Leute hier einfach nicht vorbereitet. Es dauert eine geschlagene Stunde, bis sich endlich jemand findet, um das Tor zu öffnen. Auch viele Türen der Ortschaft sind noch verschlossen. Alleine laufe ich umher und nehme die ruhige Atmosphäre auf. Es dauert eine Weile bis die ersten Ladenbesitzer die Pforten öffnen und ihre Waren zur Schau bereitstellen. Genau diese Zeit nutze ich, um entspannte Gespräche mit den Cotahusianern zu führen.

 

Schloss
Schloss

 

Die erste Bekanntschaft. „Se Vende“, ein großes Schild hängt neben einer alten blauen Tür. Der Ladenbesitzer könnte nicht besser in das Bild passen. Mit seinem großem Hut und einem freundlichen Lächeln begrüßt er mich. Kaum warm geworden, werde ich auch schon zum Tee eingeladen. Ich verspreche ihm später vorbei zu kommen, nun will ich doch fotografieren. Ob ich denn auch ein Foto von ihm machen will, fragt er mich. Na klar! Das ging aber nun fix. Später zum Nachmittag bringe ich dem Herrn einen Abzug des Fotos vorbei. Ein Geschenk! Er freut sich riesig – schenkt mir im Gegenzug ein paar Kekse und natürlich lassen wir uns auch den Tee schmecken.

Sein ganzes Leben wohnt er schon hier! Den Laden hat er von seinem Vater übernommen. Es sei kein besonderes Leben das er führe. Aber er gibt sich dennoch zufrieden. Solange die Leute nur in seinen Laden kommen ist alles gut. Und gesund will er bleiben. So lange bis er eines Tages einfach einschläft und Abschied von dieser Welt nimmt. Er erzählt mir noch weit mehr. Sehr persönlich Worte. Ich bin einfach nur platt. So viele Gedanken, Impressionen, von einem eigentlich unbekannten Menschen. Ein besonderes Foto für mich…

 

Se Vende
Se Vende

 

Etwas später! Ich treffe auf Martin. Fast schon schüchtern laufe ich an ihm vorbei. Er spricht mich an, fragt mich was ich hier mache. Ich erzähle von meiner Reise, etwas von meinem Leben in Deutschland. Wir freuen uns gemeinsam über die Namensbrüderschaft, diskutieren etwas über die Unterschiede unserer beider Heimatländer. Er erzählt von seinen Kinder, seinem Leben als Schuster und dem ruhigen Leben im Canyon. Auch er ist glücklich mit seinem Leben.

Martin ist gerade dabei ein paar Turnschuhe zu reparieren. Schuhe die bei uns Zuhause schon längst im Mülleimer gelandet wären. Für acht Soles (Währung Peru) repariert er ein paar Schuhe. Das sind umgerechnet etwas mehr als zwei Euro. Ich frage ihn wie viele Schuhe er denn täglich so repariere. Drei! Drei Schuhe – das macht einen Verdienst von sechs Euro am Tag. Wieder wird mir klar, in welch unterschiedlichen Welten wir leben. Wir Touris geben schon mal gerne 20 Soles, oder mehr, für eine Mahlzeit oder eine Unterkunft aus. Was dann auch noch für die meisten günstig scheint. Dieser Mann lebt von weit weniger – sein ganzes Leben lang. Martin lässt sich Porträtieren und zeigt mir die kleinen Tricks seines Handwerks. Mehr als eine Stunde verbringe ich mit ihm. Fotografierend und erzählend. Gegenseitiges bestaunen unseres Tuns.

Auch ihm bringe ich später einen Abzug des Bildes vorbei. Es sei das einzige Foto das er von sich und seiner Arbeit habe. Mit doppeltem Handschlag verabschiedet er mich, blickt mir tief in die Augen und wünscht mir alles Gute für meine weitere Reise und mein Leben. Was soll ich da noch sagen? Eine herzlichere und 100%ig ehrlichere Verabschiedung habe ich selten empfangen.

 

Der Schneider
Der Schuster
Schuhreparatur
Schuhreparatur

 

Für mich steht fest, dass ich in Zukunft noch weit offener auf die Menschen um mich zugehen werde. Ich liebe diese Art mich mehr mit dem Thema Fotografie auseinander zu setzten. Letzten Endes geht es hier nicht um blanke Technik, Hardwareschlachten. Es geht um Gefühle, die Art sich seinen Mitmenschen zu zeigen. Diese Tage verändern mich persönlich mehr als all die Zeit in unbekannter Natur. An diesem Morgen hab ich gut ein Dutzend interessanter Menschen kennengelernt. Unterschiedliche Charaktere, meist freundlich – aber auch mürrisch. So oder so – jede Begegnung war es wert, soooooo früh aufzustehen.

Bis bald!

Martin

 

P.S: Eine kleine Zugabe! Den Inhalt des Gesprächs kann sich jeder von euch sicherlich denken. ;-)

 

Motoamigo
Motoamigo

 

 


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Ein Kommentar on Der Canyon, die Stadt und Street Photography

  1. Wenn ich Deinen Bericht lese, so frage ich mich, wie sehr Dich selbst am Ende eine solche Reise verändern wird. Wie wird es sich für Dich einmal anfühlen, wenn Du wieder Zuhause angekommen bist? – Zum Glück stellt sich die Frage erst in guten 2 1/2 Jahren und ich kann so lange noch Freude an Deinen Berichten haben! :-)

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