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Die Reise durch den Pantanal

Pantanalfischer

„Allgemeiner Fehler!“, das Display meiner KTM 1190 Adventure R blinkt mich zum Morgen fröhlich an. Als erfahrener Fahrer einer modernen Zweiradmaschine will ich den Fehler routiniert wegklicken. Klick. Danach versucht mir mein Motorrad allerdings noch mehr mitzuteilen. „MTC Fehler“. Klick. „Kein Dongle“. Klick. „ABS Fehler“. Klick. „Kein Kraftstoff“. „Was?!“ Klick. „Oh je!“ Das Alles verheißt nichts Gutes. Da die Nacht im Freien alles andere als angenehm war frage ich mich ob das nun ein Albtraum oder schlechter Scherz sein soll. Ich gähne mit weit offenem Mund und reibe mir dabei die Augen. Ein klägliches Bild muss ich gerade abgeben. Aber egal! Im Umkreis von 100 Kilometern wird mir heute sicherlich niemand begegnen. Ich bin auf dem Weg in den südlichen Pantanal, eines der größten Feuchtwassergebiete unseres Planeten. Es hat die Nacht wie aus Eimern geregnet. Mein Zelt ist zum Schlauchboot transformiert und schwimmt auf der riesigen Wiese noch vor sich hin. Zentimetertief steh ich im übernässtem Grass. Die noch regennassen Motorradklamotten wollen auch kein angenehmes Wohlbefinden aufkommen lassen. Sehr zur Freude der Mosquitos hat der Regen zum Morgen etwas nachgelassen. Die Freude kann ich mit den kleinen Biestern allerdings nicht teilen, haben sie sich als Frühstückshappen doch meinen Nacken und die ungeschützten Hände ausgesucht. Mit jenen wedle ich hastig umher, um nicht all zu sehr zerstochen zu werden. Meine Endurostiefel sind offensichtlich auch nicht wasserdicht. Die Füße stehen im Dauerbad. Trockene Socken waren schon immer ein Luxusprodukt. Wunderbar! Ein perfekter Morgen in Brasilien. Wie ein nasser Pudel im Regen steh ich also da. Dunkle Wolken hängen am Himmel. Einschüchternd, dominant, als wollen sie mir die Apokalypse prophezeien. Ich frage mich mehr und mehr ob es vielleicht auch ein „Allgemeiner Fehler“ war hier in den letzten Zipfel Brasiliens, in das Zentrum Südamerikas, aufzubrechen? Augen zu und durch! Vielleicht hilft ein Kaffee auf die Sprünge.

 

Serra Canastra

Brücke Pantanal
Holzbrücke im Pantanal

Eine Gruppe Mosquitos nimmt brav auf meiner Handfläche platz, um das Schauspiel des Kocherstartens aus nächster Nähe bewundern zu können. Ich Pumpe die Flasche des Benzinkochers auf, öffne die Spritleitung und lasse etwas Kraftstoff zum Vorheizen in den Brenner. Zisch – das Streichholz brennt. Ich entzünde den Kocher, wie schon tausend Mal zuvor. Allerdings findet die Flame nicht wie gewohnt den Weg in den Brennkessel, sondern wandert der Stahlflexleitung entlang zur Druckflasche. Puff! Einen halben Meter hoch breitet sich eine Stichflamme über dem Kocher aus. Ein großer Schreck. Ich bin 100%ig wach. „Zefix – was zum Geier ist nur heute los!“ Mehr aus Reflex lösche ich das Wunderfeuer mit nassem Sand von der Piste. Es stellt sich heraus, dass eine der Dichtungen der Spritleitungen undicht war. Reparatur vorerst aussichtslos. Ok – Kein Kaffee – Kein Frühstück – Keine gute Laune! Die würde nun wohl auch nichts mehr ändern. Das ist heute einfach nicht mein Tag. Hoffentlich werden die restlichen achtzehn Stunden besser. Einfach nur noch weg hier – so schnell wie möglich!

Trotz der Fehlermeldungen springt das Motorrad tadellos an. Die Anzeigen blinken nebenbei wie ein bunter Weihnachtsbaum. Wie passend – ist heute doch der vierte Advent. Auf dem nassen Sand- und Lehmuntergrund fährt es sich stellenweise wie auf Eis. Mein Motorrad ist voll beladen und gleich dreimal hintereinander kippe ich auf die Seite. Es ist eine schweißtreibende Angelegenheit die KTM wieder auf die Füße zu bekommen. Mehrmals rutsche ich aus, zentimetertief stehe ich im braunen Matsch. Auch der Regen hat wieder zugenommen. Puh. Morgensport für Motorradabenteurer. Wenig später stehe ich einen halben Meter tief in einer dreckigen Suppe. Die Straße ist nur noch ein einziger See der sich bis zum Horizont dahinschlängelt. Während ich mich Meter für Meter durch das Wasser kämpfe schweifen meine Gedanken ab. Ich wünsche mich an einen anderen Ort. Zweifel überkommen mich. Was mach ich nur hier? Ein Motorradfahrer gehört hier einfach nicht her.

 

Kaiman Piranha

 

Ich staune nicht schlecht als ich die Estrada Parque im staubtrockenen Zustand vorfinde. Dutzende Holzbrücken überquere ich auf dem Weg zu einer Fazenda. Einer Art Farm im Pantanal, um der Natur etwas näher zu kommen. Eine ziemlich abenteuerliche Angelegenheit. Die Brücken haben kein Geländer. Unten in den Flüssen und Seen warten kleine Kaimane (Minikrokodile) mit offenen Mündern. Auf einer Brücke mache ich halt und gebe mir die Mühe die Tiere zu zählen. 18 Stück befinden sich unweit des Flussufers. Viele mehr müssen dort draußen noch unterwegs sein. Sowohl versteckt im Gebüsch als auch unter Wasser. Etwas komisch fühle ich mich bei meinem Abenteuer schon. Die touristische Straße wird als Ausgangspunkt zum Ökotourismus verkauft. Jährlich besuchen hunderttausende Menschen auf diesem Wege dies große Feuchtgebiet unseres Planten. Als ich bei der Fazenda ankomme, wird mir klar, dass dies hier alles „nur“ privat organisiert ist. Die Natur ist in dieser Region wenig bis gar nicht geschützt. Neben der einen Fazenda für Urlauber reihen sich dutzende weitere. Sie werden als Farmland, zur Viehzucht oder schlichtweg als Holzarsenal ausgenutzt. An einer Raststation sehe ich eines Tages eine Karte der schon vorhanden und vor allem der geplanten Straßen durch den Pantanal. Die geplanten jagen mir regelrecht Angst ein. Straßen gibt es nur dort wo Geld zu verdienen ist. Die Ausbeutung des Pantanal hat noch lange nicht aufgehört. Ein Teil des Gebietes ist offiziell als UNESCO Welterbe geschützt. Ob dies etwas bringt stelle ich einmal in Frage.

Da bin ich also! Ich parke das Motorrad und organisiere meine Sachen. In den Bäumen sitzen hunderte grüne Papageien. Sie scheinen gerade ein Familienfest zu haben. Der Lärm den die Vögel produzieren ist wirklich unbeschreiblich. Für drei Tage las ich mich auf dem Campingplatz einquartieren. Ich bin mal wieder der einzige, alle anderen Besucher bevorzugen die Mehrbettschlafsäle. Es scheint alles sehr gut durchorganisiert. Es gibt Essen zuhauf und man kann es sich schon richtig gut gehen lassen. Überall hängen einladende Hängematten zwischen den Bäumen. Bald begrüßt mich mein Guide und erklärt mir was für Aktivitäten auf dem Plan stehen. Ich muss mich dafür jeweils in einem kleinen Buch registrieren. Folgendes steht auf dem Programm: Eine Bootstour, ein Nachtausflug, eine Wanderung, Piranhafischen und ein Pferderitt. Denn Pferderitt markiere ich auf der Registrierungsliste mit einem Fragezeichen. Ansonsten bin ich bereit alles über mich ergehen zu lassen.

 

Raubvögel
Raubvögel vor Container

 

Somit bleiben mir also knapp drei Tage Zeit. Zeit um das ein oder andere Foto zu schießen, Zeit um die Musik des Pantanals zu hören, Zeit für Gespräche mit anderen Reisenden und Zeit um auch einmal etwas zu entspannen. Mein Teleobjektiv hatte ich die drei Tage nur selten abgeschraubt. Die vielen Vögel lassen sich nur so einigermaßen eindrucksvoll ablichten. Leider sind die Touren nicht für Fotografen gemacht. Es fehlt oft an der Zeit, um einen Ort intensiv zu beobachten. Es fehlt die Ruhe. Bei der Bootstour z.B. flogen alle Vögel schon davon bevor wir überhaupt in die Nähe kamen. Außerdem finden die Touren immer nach dem Sonnenaufgang oder vor dem Sonnenuntergang statt. Genau jene Zeit bei der sich die Natur und Pflanzenwelt für gewöhnlich von Ihrer schönsten Seite zeigt. Aber ich bin nun nicht alleine hier und füge mich der Masse. Wenn der Pantanal im Licht und Farbenspiel eingetaucht wird steh also auch ich beim Buffet in der Schlange. Drei Tage! Das Essen ist aber auch wirklich gut hier!

Ich bin also mehr damit beschäftigt mich diesen nicht optimalen Bedingungen anzupassen. Ein paar gute Fotos sind mir trotzdem gelungen. Zum Morgengrauen laufe ich täglich alleine in die nahegelegenen Wälder. Ich gehe auf Tuchfühlung mit Kaimanen und den niedlich anmutenden Gapivaras. Die Wasserschweine sind sehr putzig, was für die Kaimane weniger gilt. Diese muss man oft wie lästige Hunde vertreiben. Meist reicht ein Stein oder ein Stock dafür. Wirklich gefährlich sind sie nicht. Zumindest nicht außerhalb des Wasser. Piranhas sind wirklich lecker, wer hätte das gedacht. Die Einheimischen angeln und essen die fleischfressenden Fische wie ganz normalen Speisefisch. Auch ich versuche mich daran einen Piranha an den Haken zu bekommen. Ohne Erfolg!

Vögel_Pan
Vögel auf Ast beim Abflug

Gapivara

 

Die Zeit auf der Farm war genau so wie ich es erwartet hatte. Der Veranstalter hatte nicht zu viel oder zu wenig versprochen und ich konnte einen guten ersten Eindruck der Natur des Pantanal gewinnen. Wie es im eigentlichen geschützten Centrum des Pantanal aussieht kann ich mir nur vorstellen. Dorthin wird es mich nicht verschlagen, ich lasse die Flora und Faune lieber alleine. Mein Weg führt mich noch ein gutes Stück weiter der Estrada Parque entlang. Sonderlich spektakulär ist die Strecke außer den vielen Brücken nicht. Auch die Kaimane haben an Attraktivität eingebüßt. Den Rio Paraguay überquere ich einsam auf einer kleinen Fähre. Der Fährmann will mir gleich wieder den speziellen Touristenpreis abluxen. Zu dumm für ihn.  Ich kann mittlerweile portugiesisch sehr gut und verstehe die Preistafel durchaus. Ich drücke ihm die Hälfte der geforderten Summe in die Hand und zeige mit dem Finger auf das Schild. Er setzt ein breites Lächeln auf und klopft mir auf die Schulter.

Da es schon spät ist will ich nicht weiter fahren. Noch immer hat mein Motorrad die Displayprobleme und einen Stillstand zur Nacht im Pantanal will ich nicht riskieren. Ich erkundige mich nach einem Schlafplatz. Negativ. Nach einigen Überlegungen schlage ich schlussendlich mein Zelt direkt neben der Dorfstraße auf. Danach schlendre ich umher und komme mit einem Fischermann ins Gespräch. Auch er angelt gerade Piranhas. Er verrät mir den einen oder anderen Trick, welcher mit auf der Fazenda verborgen blieb. Wir wechseln einige Worte. Später sitze ich einfach nur da und beobachte Ihn bei seiner Arbeit und wie die Sonne die sich langsam auf der anderen Seite des Flusses von uns verabschiedet. Um acht Uhr schließt der kleine Laden und ich habe den Rio Paraguay für mich alleine. Einmal abgesehen von den tausend Mosquitos die mich ständig umwerben. Der Sonnenuntergang war schlichtweg atemberaubend. Schon lange hatte ich keinen solch roten Himmel mehr gesehen. Es ist unglaublich heiß und die ganze Nacht schließe ich kein Auge. Schweißgebadet wache ich mehrmals auf. Ich hatte schon angenehmere Nächte im Zelt verbracht.

Zum Morgen breche ich zeitig auf. Den südlichen Pantanal hab ich befahren, bin nahe der bolivianischen Grenze und muss wieder zurück nach Campo Grande, um mich um mein Motorrad zu kümmern. Das ist wieder eine andere Geschichte. Schön war es!

Fähre
Fähre Rio Paraguay.

Sonnenuntergang Rio Paraguay

 

Dieser Bericht soll euch einen kleinen Eindruck vom Pantanal geben. Ich habe sooooo viel mehr erlebt als ich hier mit euch teilen kann. Nächte Woche will ich noch den nördlichen Pantanal erkunden. Mittlerweile ist der Regen (Regenzeit) angekommen und es wird sich sicherlich eine andere Seite der Region zeigen.

Ich wünsch euch was!

Martin

 

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Ein Kommentar on Die Reise durch den Pantanal

  1. Hi Martin, schöner Bericht und Fotos. Hast du auch was von Jaguaren dort mitbekommen (Spuren oder einfach erzählte Geschichten)? Finde diese Gegend auch schon iummer sehr interessant, werde dort aber wohl niemals hinkommen.. Schade, das mit diesen geführten Trips ist echt immer total blöd, man wird auf nen Kahn verfrachtet und fast akkordmäßig rumgefahren. Das ähnelt maximal einem „Reinschnuppern,“ mehr meistens nicht. Man bräuchte viel mehr Zeit und evtl ein eigenes Boot mit ’nem Guide um das zu umgehen. Aber das sprengt dann natürlich meistens den Kostenrahmen.. Egal, man bekommt durch deinen Bericht schon einen sehr guten Eindruck von der Region, danke! Gruß dave

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