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Brasilien – Lencois und Minas Gerais

GelbBlau

 

Leute ich bin im Bloggertief. Jeder der selber einen Blog betreibt, weiß sicherlich wovon ich rede. Seit Wochen will ich einen vernünftigen Reiseartikel verfassen, aber offensichtlich komme ich einfach nicht dazu. Nicht das es nichts zu schreiben gäbe, nein, viele Geschichten gehen mir täglich durch den Kopf. Wenn ich meine Bild- und Videodateien durchsehe, werde ich regelrecht erschlagen von der Fülle an gutem Material, welches sich die letzten drei Monate angesammelt hat. Es ist mehr als ich mittlerweile bearbeiten kann, muss ich ja schließlich auch noch meinem Haupthobby, dem Motorradfahren, nachkommen. Tja – ein Blogger mit Luxusproblemen wie es scheint.

Wo also anfangen? „Ein bisschen Lencois und Minas Gerais“. Ich will einfach mal drauf los schreiben. Hier also ein paar kleine Eindrücke. Von Lencois do Chapada Diamantina aus, geht es durch den Bundesstaat Minas Gerais, bis weiter in den Süden. Nun bin ich schon mehr als fünf Monate in Brasilien unterwegs. Vor kurzem hatte ich in einem Magazin folgendes geschrieben.

 

„Wie ein Walfisch im großen Ozean, langsam aber mit offenen Augen, treibe ich um die Welt. Ich bin dankbar für jeden Tag der mir gegeben ist. Dankbar für die Menschen die mein Leben, auf fernen Pfaden, entlang langer Straßen bis zum weiten Horizont bereichern.“

 

Die Welt ist hier mit Brasilien gleich zu setzen. Jedes Mal wenn ich die Landkarten aufschlage bin ich von der Größe des Landes ganz eingenommen. Es ist schwierig hier wirklich eine genaue Route festzulegen. Zu viel gibt es zu erkunden, zu viel zu bereisen und zu viel zu erleben. Es ist wie ein Bad im offenen Ozean oder eine kleine Nussschale die im riesigen See vor sich hin treibt. Nach wie vor plane ich meine Tagesetappen nicht sehr im Detail. Oft stehe ich an einer Weggabelung und werfe eine Münze. Kopf = links, Zahl = rechts. Diese Art zu reisen ist sicherlich nicht sehr effizient, hat mir aber schon öfters interessante Begegnungen eingebracht. Ganz ziellos war ich dieses Mal aber nicht. Nach Itajuba wurde ich bestellt. 1800 Kilometer in den Süden. Zurück in die Gegend um Rio de Janeiro und São Paulo. War ich da nicht schon einmal vor Monaten? Soviel zum Thema Effizienz. Warum, wieso, weshalb? Mehr dazu findet ihr
-> hier ab 10…

 

Wartezeit Lencois

 

Lencois Marktplatz
Lencois Marktplatz
Restaurant
Restaurant
Lencois Straße
Lencois Straße
Lencois Haus
Lencois Haus

 

Da war sie also – die Nachricht! Katze soll ein neues Herz bekommen, ich müsse nur auf die Ankunft warten. Als mich diese Nachricht von KTM erreichte war ich gerade auf den Weg nach Lencois unterwegs. Ich wusste, dass ich für die Herztransplantation wieder fast 2000 Kilometer in den Süden Brasiliens fahren muss. Meine Reifen, unbeschafbar im Norden Brasiliens, waren vielleicht noch gut für maximal 2500 Kilometer, was meinen Aktionsradius doch deutlich eingrenzte. Aus finanziellen Gründen wollte ich nicht weiter in den Norden fahren, auch eine Weiterreise in den Süden erschien mir sinnlos, da die Ankunft des neuen Herzens ja ziemlich unklar war. Ich entschloss mich also für einige Wochen in der Chapada Diamantina zu bleiben. Lencois schien mir ein geeigneter Ort. Ein ruhiges kleines Städtchen, welches vom Garden Eden des Nationalparks umschlossen wird. Zu jener Zeit (unglaublich kann ich schon im „Damals“ schreiben) war mein Portugiesisch noch auf Anfängerniveau. Ich besorgte mir einige Bücher und folgte einem Online-Sprachkurs. Abends ging es dann meist in eine kleine Bar, um zu einem oder zwei (manchmal auch mehrere) Bier, dass erlernte Wissen anzuwenden. Es gingen einige Tage ins Land, bis ich die neue Struktur der Sprache, die Aussprache und die vielen Redewendungen verstehen konnte. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister. Mit der Zeit baute sich ein Bekanntenkreis auf und die Gespräche wurden immer besser. Nie zuvor hatte ich soviel Spaß eine Sprache zu lernen. Als wäre es ein einziger Gesang.

Mit den ersten Kontakten kamen die ersten Feste und Feiern. Die ersten Unternehmungen und Ausflüge. Wie im „normalen“ Leben eben. Ich besuche mehrere exzellente Musikfestivals der Gegend, gehe oft wandern und genieße jeden Tag aufs Neue. Irgendwann war mir das Alltagsleben zu langweilig und ich suchte nach einer Beschäftigung. Am Ende fand ich „Arbeit“ in einem kleinen Kindergarten. Eigentlich mehr ein Art Freizeithaus für Kinder zwischen 3 – 12 Jahren. Ein Ort an dem sie neben der Schule lernen und spielen können. Vier Wochen lang spielte ich mit den Kindern Fußball, Volleyball oder andere Sachen. Wir bastelten viele bunte Dinge und ab und an gab es einen kleinen Englischkurs oder, auch mehr für mich, die portugiesisch Hausaufgaben der ersten oder zweiten Klasse zu lösen. Meist waren es nur wenige Kinder. Eine wirklich sehr interessante Erfahrung die ich im Gasa Grande (so heißt das soziale Projekt) machen konnte. Die meisten der Kinder kommen aus sozial schwachen Familien, was mir den ein oder anderen Einblick, oder besser eine Idee, der allgemeinen Lebenssituation manch brasilianischer Familie gegeben hat.

 

Gasa Grande Lencois
Mittagstisch

 

Tja – und so gingen die Tage dahin. Ich hatte eine schöne Zeit in der Stadt. Irgendwann kam schließlich die Nachricht, dass alle Teile für Katze in Brasilien angekommen sind. Es ging also weiter für mich. Der Abschied viel mir wirklich schwer. Mehr als einmal hatte ich den Abreisetag verschoben, aber als Reisender musste es schlussendlich irgendwann weiter gehen.

 

Estrada Real und Minas Gerais

So brachte mich meine Reise also zurück nach Minas Gerais. Selten hatte ich bessere Straßen unter den Rädern. Gerade im südlichem Teil des Bundesstaates folgt eine schöne Kurve der nächsten. Ich folge der touristischen, sehr gut ausgebauten Estrada Real. Das Wetter war sehr angenehm. Kaum Regen und viel Sonne. Somit war für den Motorradspaß gesorgt. Auch wenn Katze kränklich schwer zu schnaufen hatte, ging es stetig voran. Ich passiere viele kleine, durch die Kolonisation historisch sehr geprägte, Ortschaften. Gerade die größeren Städte Diamantina, Ouro Preto oder Paraty weiter südlich, haben doch einiges an Geschichte zu bieten. Eine Kirche reiht sich neben die andere. Viel zu viele um auch nur annähernd alle besichtigen zu können. Und ehrlich gesagt bin ich nicht wirklich ein großer Fan von ausgiebigen Gotteshausbesichtigungen. Ich schlendere lieber durch die Straßen und lasse das allgemeine Leben Brasiliens auf mich wirken. Mein Portugiesisch ist mittlerweile besser als mein Spanisch und bringt mich den Menschen sehr viel näher. Die Reise wird intensiver. Somit hatte sich meine kleine Pause schon 1000%ig rentiert. Die „Mineriros“ sind irgendwie anders. Ein anderes Volk im gleichen Land. War ich durch die lange Zeit in Lencois die Bahianische Ruhe gewohnt, geht es hier nun wieder wessentlich geschäftiger auf den Straßen zu. Brasilien hat eben viele Facetten und es ist doch interessant zu sehen, wie sich die unterschiedlichen Völker nach der Kolonialzeit verteilt haben.

 

Ouro Preto
Ouro Preto zum Sonnenaufgang
Große Kirche
Große Kirche

 

Der Alchemist

Viele interessante Begegnungen hatten sich auf der Fahrt in den Süden ergeben. Eine für mich besondere im kleinen Bergdorf S. Goncalo do Rio das Pedras (merk sich mal einer diesen Ortsnamen). Eine mit dem Alchemisten! Ich nenne ihn so, da ich mir einen Alchemisten eben genau so wie diese Person vorstelle. Aber mal von vorne! Wie schon so oft stehe ich zum Abend vor einem Supermarkt und weiß nicht so recht wohin. Die Pausadas sind mir zu teuer und einen Campingplatz scheint es nicht zu geben. Ich erkundige mich nach einem Stellplatz für mein Zelt. Zuerst kann mir keiner weiter helfen, worauf ich weiter warte. „Irgendwas geht immer!“, wie ich mich hier mal zitieren möchte. Etwas später spricht mich ein „Rastafari“ an. „Oh – ein Deutscher!“, begrüßter er mich. Er spricht sogar etwas Deutsch. Ich erfahre, dass er in Deutschland mehrere Capoeira Gruppen leitet, was mich natürlich erstaunt. So oder so, wir kommen weiter ins Gespräch und schlussendlich lädt er mich zu sich nach Hause ein. Und da bin ich also. Meine Campingmatratze liegt auf dem Boden. Neben mir blubbern drei Destillatoren vor sich hin. Mein Rastafari ist nämlich nicht nur Capoeira Lehrer, nein, er produziert auch Essig und Alkohol, um sein Leben zu finanzieren. Im Raum schwebt ein berauschender Duft der von den dampfenden Geräten produziert wird. Drei Laboratorien unterhält mein Alchemist und eines davon toppt das Ganze noch um einiges.

Dutzende Glasgefäße, Kocher und Geräte, die ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe, bilden ein äußerst, auf mich skurril wirkendes, Gesamtbild. Der Alchemist kann einfach alles. Er kann Medizin machen, eckige Kristalle produzieren und selbst die Meisterkund, das produzieren von Gold, sei kein Problem. Manche Prozesse laufen über Jahre und so wirklich verstanden habe ich den Zweck des ganzen nicht. Er sei selber noch Schüler, aber die vielen Präparate beschäftigen ihn jeden Tag. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hört man Glas an Glas klopfen, Feuer brennen, Dampf aufsteigen und ja sogar die Kristalle kann man beim wachsen knacken hören. Sechs Tage verbringe ich neben Alkohol und Essig. Indi (sein Spitznahme) zeigt mir die Gegend um das Dorf. Wir besteigen kleine Berge, und erforschen dunkle Höhlen. Eine davon war besonders abenteuerlich zu besichtigen. Nur mit den Schwimmsachen mussten wir durch einen kleinen Eingang tauchen. Aufgetaucht finde ich mich in einer Grotte von vielleicht zwanzig Meter länge wieder. Das Licht ist schummerig und kaum sehend schwimme ich meinem Guide hinterher. Wasser spritzt mir in die Augen. Ein Wasserfall von vielleicht zehn Metern füllt die Grotte stetig mit Wasser. Ein Bad das ich nicht so schnell vergessen werde. Bilder gibt es nicht – aber manche Sachen muss man einfach erleben und nicht im Viereck festhalten.

 

Alchemist 1
Alchemist 1
Alchemist 2
Alchemist 2
Alchemist 3
Alchemist 3
Alchemist 4
Alchemist 4

 

Weiter in den Süden

Ich begegne noch mehr interessanten Personen. Wie  z.B. dem Tatookünstler, Mini Nona, einer 99 Jahre alten Frau und einer Obstpflückerin mit ganz besonderen Bäumen im Garten. Alles interessante Personen über die ich vielleicht schon bald auch noch etwas schreibe. Fast eine Woche war ich beim Alchemisten zu Gast. Danach wollte ich so schnell wie möglich zur Katzenklinik. Wie oben geschrieben folgt eine Kurve der anderen. Unzählbar. Manche Nacht verbringe ich draußen im Zelt. Dabei ist es manchmal schon eine Kunst einen guten Stellplatz zu finden. Auch in Brasilien und gerade in Minas Gerais regiert die Viehzucht. Wohin man sieht sind die muhenden Vierbeiner unterwegs. Das wirkt sich natürlich auch auf das Landschaftsbild aus. Ganze Landstriche wurden kahl geschlagen. Dort wo keine Kühe sind gibt es dann Anstatt eines gesunden Waldes Eukalyptusplantagen. Die Landmasse wird hier intensiv genutzt. Was bleibt sind Gedanken an die Zeit vor Columbus, als ganz Amerika noch unberührt war. Gut – Nostalgie bringt nicht viel. Man muss die Welt nehmen wie sie ist – ansonsten sieht man nie die schönen Seiten. Auch wenn das bedeutet, kopfbrummend neben 4 rießigen Sendeantennen schlafen zu müssen. Aber das ist dann auch wieder eine andere Geschichte. Das solls für heute gewessen sein.

 

Gute Verbindung
Gute Verbindung
Das ist Wald
Das ist Wald
Kuhblick
Kuhblick

 

Ach ja – zum Titelbild! Eine Sache der ich ziemlich gerne nachgehe. Ausruhen und den Sonnenuntergang genießen. Hier war es eben gerade die gelbblaue Bank…

 

„Wer mit Ruhe unterwegs ist sieht mehr von der Welt.“

 

Tschau Martin

 

P.S: Katzenoperation ist geglückt.

 

3 Kommentare on Brasilien – Lencois und Minas Gerais

  1. Hallo Martin,
    dieser blog ist wirklich schön geworden. Deine Art sehr langsam und mit offenem Herzen zu reisen gefällt mir sehr viel besser als das Herumgehetze und Kilometerschrubben von mach Anderen. Ich freue mich schon auf deine nächsten Berichte und Fotos.

    Boa viagem.

  2. Lencois war mein Favorit für mich. Wir waren dort fast eine Woche und sind fast permanent in der Natur gewesen. Die Landschaft ist einfach genial. Lencois mit seinen Wasserfällen gleich hinter dem Ort ist ein wahrer Ruhepol. Mein Tipp, die Cachoeira da Fumaca anzusehen. Der Wasserfall und die Aussicht ist einfach genial.

    PS: Wir waren im September für 1 Monat in Brasilien, zu kurz für das Land :-)

    Grüße aus Peru Stefan

  3. Auf solch eine Art und Weise wie du mit dem Münzenwerfen bin ich zwar noch nicht gereist, weil ich auch noch nie in einem so riesigen Land unterwegs war, aber das ist bestimmt mal erfrischend. Anstatt immer alles von vorne bis hinten durchzuplanen, kann man sich mal richtig treiben lassen. Ich bin bisher auf meinen Reisen auch immer ganz planmäßig vorgegangen und habe ganz klassisch in Hostels, Pensionen etc geschlafen, aber dadurch konnte ich eben auch nicht spontan mal in eine andere Richtung fahren, als geplant. Begegnungen wie mit „Indi“ finde ich total spannend und habe ich zum Beispiel so in der Art auch noch nicht erlebt.

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Auf meiner Reise bleibt mir viel Zeit zum Nachzudenken, viel Zeit um mich inspirieren zu lasen…