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Crashkurs Streetphotography

Havanna run 1
Streets of Havanna
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Ich bin ja immer wieder erstaunt, welche Menschen mir so täglich über den Weg laufen und wie jene Begegnungen meine Denkweise und mein Handeln beeinflussen. So sitze ich gestern zum Frühstück mit einem Amerikaner am Tisch. Terry, Fotograf und Ober aus Los Angeles. Wir reden über unsere Zeit in Havanna und die verschiedenen Erlebnisse in dem für uns beide fremden Land. Nach dem Standardschnack über die Ausrüstung reden wir über weit interessantere Themen. Jeder Fotograf hat seinen eigenen Stil und seine spezielle Herangehensweisen. Ich Frage ihn ob er denn Probleme hat hier die Menschen zu porträtieren. Ich Frage deswegen, da ich in Havanna so meine Probleme habe. „800 Porträts habe ich wohl in dieser Woche aufgenommen“, sagt er mir. Eine Zahl die sich für mich absolut unglaublich anhört, ist meine eigene Quote da weeeeeeesentlich tiefer. Für all jene die sich mit dem Thema nicht so intensiv auseinandersetzen. Porträts in der Streetfotografie sind eine ganz besondere Herausforderung. Oft hat man nur ein paar Sekunden Zeit für ein Foto von einer unbekannten Person. Die Situationen ergeben sich meist sehr spontan und es kommt schon sehr auf die Mentalität in einem Land an, ob dies überhaupt gewünscht ist oder nicht.

So oder so – Porträts von charakterstarken Menschen sind einfach ein echter Hinkucker und können viele Geschichten erzählen. Ich persönlich gehe auf die Menschen immer sehr zurückhaltend zu, etwas schüchtern vielleicht. Selten schieße ich ein Foto ohne mit der Person mindestens ein paar Worte gewechselt zu haben. Das kostet natürlich Zeit ist für mich aber auch wichtiger Bestandteil meiner Reise. 800 Porträts in einer Woche also… Ich blicke Terry an und Frage mich wie zum Geier er das nur fertig bringt? Er zeigt mir einige seiner letzten Werke, welche mich fast vom Hocker hauen. Wer sich selber ein Bild davon machen will, kann ja mal gerne auf seinem Instagram Account vorbei schauen. Terry alias @Asteryx hat ein Portfolio am Start das mir die Schuhe auszieht. Fast 300k Follower sprechen ohnehin für sich. Der Account ist dermaßen beeindruckend, dass man am liebsten gleich die Kamera an den Nagel hängen will, da er einem das Gefühl gibt man hätte von überhaupt nichts eine Ahnung.

 

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Aber gut Ding will ja schließlich Weile haben. Zusammen mit Terry laufe ich also um die Blocks und mache mir ein Bild von seiner Arbeit. Kaum aus dem Haus läuft er schon auf den ersten Herren zu, stopt ihn im Gehen und hällt ihm seine dicke D800 sammt Weitwinkel keine 15 Zentimeter vor das Gesicht. Einmal hochkant, einmal quer, Klick Klick, 10 Sekunden. Sekunden später porträtiert er eine ältere Frau an der Tür, Klick Klick, und keine weitere Minute später steht ein junges Mädchen vor seinem Objektiv, von der er sich mit einem coolen Handschlag verabschiedet. Klick Klick. Nach ein paar Zügen aus seiner Elektrozigarette geht es dann genau so weiter. Vollgass Speedstreetfotografie – aber wirklich!
Alter Schwede, denke ich mir, der Typ hat Energie. Zwei Stunden lang geht es fast pausenlos genau so weiter. Terry stört sich keine Sekunde daran, wenn der ein oder andere Mensch nach Geld fragt oder ihn etwas angreift. Spanisch versteht er ohnehin nicht und meist verabschiedet er sich mit einem kurzen Nicken und Lächeln von seinen Motiven. Der Knabe ist wirklich absolut schmerzfrei und durchstreift die Gassen Havannas wie im Rausch auf seiner bunten Spielwiese. Nun stehe ich also da. Drei Jahre in Südamerika, ein gutes Spanisch, ein gutes Einfühlungsvermögen und, wie ich denke, eine angemessene Portion von Anstand. Ist es der lieben Zurückhaltung vielleicht doch zu viel des Guten? Am Ende zählt ja auch schließlich irgendwie das Ergebnis und da hängt mich Terry meilenweit ab. Einige mögen seine Vorgehensweise kritisieren, liefert er aber ein ziemlich authentisches Bild von Kuba und seinen Einwohnern.

 

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Ich Stelle mich also der Herausforderung und will heute einmal mehr Terry und weniger Martin sein. Warum nicht einfach experimentieren? Havanna wird zu meinem persönlichen Trainingslager und sollte dieser Text von euch gelesen werden müssten sich wenigsten einige Porträts aus der Stadt hier finden. Ich finde es wirklich sehr interessant, wie sehr man sich bei dieser Art der Fotografie mit seinen persönlichen Eigenschaften, oder besser – seiner Persönlichkeit, auseinandersetzten muss. Die Technik spielt hier keine große Rolle mehr. Es geht wohl darum in wie weit man sich aus dem eigenen, gebauten Fenster hinauslehnt und seinen eigenen Schatten überspringen kann… Na dann will ich mal zum Sprung ansetzen…

 

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Vier Stunden später. Alter Schwede, was für ein Tag. Der Crashkurs von Terry hat aber ordentlich was gebracht. Ich stelle fest, dass ich mit den schnellen Fotos weitaus weniger Diskussionen auslöse, als wenn ich mich immer groß vorstelle. Auch gehen mit dem impulsiven Vorgehensweise plotzlich die Türen auf. So lande ich schon bald in fremden Wohnzimmern, werde auf einen Wodka später Rum eingeladen, Spiele in einer der entlegensten Gassen Domino mit wirklich sehr netten Kubanern, Lande in einem Hühnerstall und treffe auf einen 90 Jahre alten Mann, welcher wirklich alles in Kuba mitgemacht hat und nicht müde wird mir darüber zu berichten. Vielleicht 5-mal wurde ich nach Geld gefragt, zweimal habe ich gegeben. Bilanz: 344 Fotos von welchen vielleicht 20 (Porträts) was taugen sollten. Leider gelang es mir nicht viele Frauen zu porträtieren. Zum einen finden sich wesentlich weniger in den Straßen, zum anderen scheinen sie meine Absichten schon von weitem zu durchschauen und kehren mir oft den Rücken zu. Schade dafür, aber das bekomme ich sicherlich auch noch irgendwann hin. Auch habe ich gelernt, dass mir Porträts mit kürzeren Brennweiten (+-25mm) meist besser gelingen und beeindruckender wirken.

 

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Was soll ich also sagen? Danke an Asteryx für die interessante Lesson. Ganz so wild wir er werde ich wohl nie durch die fremden Straßen laufen, ich habe ja schließlich auch viel Zeit. Aber bisschen mehr Offensive scheint mir gut zu tun… Ich freue mich schon auf die nächste Runde.

Aus Havanna – euer Martin
Martin


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3 Kommentare on Crashkurs Streetphotography

  1. Was soll man da sagen als in Zukunft auch so ausprobieren. Übrigens, wenn ich deine Fotos sehe frage ich mich manchmal auch, ob ich meine Kamera an den Nagel hängen soll – aber das wäre auch schade, weil meine Anforderungen weniger hoch sind. Wir sehen uns im Juni.

    • Hallo Marco – Das ist auch ein Thema das mich beschäftigt. In Deutschland z.B. könnte man keinesfalls einfach jeden auf der Straße fotografieren. In den USA z.B. (siehe Asterix) scheint das wohl kein Problem zu sein. Für Veröffentlichungen in Magazinen oder Bilder die verkauft werden muss man ein „Model Release“ einfordern. Bei Gebäuden sogar manchmal „Property Release“… Das sich dies auf Reisen natürlich nicht leicht umsetzten lässt ist selbstverständlich. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Ich hatte bis jetzt nur wenige Veröffentlichungen die ein Model Release angefordert hatten….

      LG Martin

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