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Vulkan Villarrica – Besteigung mit Hürden

Berführere am Villarrica

Der Villarrica, 2840 Meter, ist einer von nur 5(6) aktiven Vulkanen weltweit, mit einem Lavasee im Krater. Nach der Besteigung des Lascar im Norden von Chile, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, auch den Villarrica zu besteigen. „In den letzten 500 Jahren wurden über 50 Ausbrüche registriert“. Die letzte Eruption, 1971, löste eine Schlammlawine aus, welche mindestens fünfzehn Menschen ihr Leben kostete. (Wikipedia) Der Vulkan gehört zu den bekanntesten Touristenzielen in der Region. In den Sommermonaten wagen schon mal 500 Bergsteigertouristen, täglich, den Anstieg. So viele Menschen auf dem Berg kommt einem Gänsemarsch gleich, und hört sich nicht all zu verlockend für mich an. Der Sommer ist zum Glück vorbei und ich lote die Optionen für eine Besteigung aus.

 

Um den Villarrica „offiziell“ und „korrekt“ zu besteigen gibt es drei Möglichkeiten!

Erstens: Man schließt sich einer der vielen geführten Touren an. Die Gruppen bilden sich aus vielleicht zwei Handvoll Touristen und entsprechend vielen Bergführern. Wenngleich die Agenturen einem das Gipfelglück garantieren! Es gehört schon etwas Glück dazu, eine passende Gruppe zu finden, deren Bergsteiger körperlich den Herausforderungen am Gipfel gewachsen sind. Schafft es nämlich nur einer der Gruppe nicht, gehen alle logischerweise zurück ins Tal und die knapp 60 Euro für den Anstieg werden natürlich nicht zurück erstattet. Die Bergführer bilden die Gruppen schon während der ersten Meter des Anstiegs.

Zweitens: Man engagiert seinen eigenen Bergführer. Das ist die mit Abstand teuerste Variante, garantiert aber einen sicheren Anstieg und für gewöhnlich auch den erfolgreichen Abschluss der Tour. Nebenbei kann die Besteigung auch zu einer früheren Stunde organisiert werden. Somit kann man den Massen von Touristen leicht entfliegen und den Gipfel ganz für sich alleine genießen.

Drittens: Man registrierst sich bei Conaf, der Administration des Nationalparks Villarrica, für eine Besteigung. Dabei muss man einen Nachweis seiner alpinen Tauglichkeit erbringen. Eine Mitgliedschaft z.B. im Alpenverein ist hierfür ausreichend. Was in meinen Augen etwas sinnlos ist, da eine Mitgliedschaft im Alpenverein ja noch lange nicht die persönliche alpine Bergsteigererfahrung nachweist. Aber seis drum – Conaf akzeptiert für gewöhnlich den Ausweis. Mit einer offiziellen Bestätigung darf man sich an den Berg begeben. Die nötige Ausrüstung kann man sich vor Ort leihen. Alleingänge sind laut Internetrecherche verboten!

 

Lift Villarrica
Lift Villarrica

 

Ich entschließe mich zweifelnd für die erste Variante, will mal brav sein, und hoffe die passenden Mitstreiter für den Anstieg zu finden. Freitag. Morgens um 6:00 stehe ich vor dem Büro der Agentur, wartend auf die anderen Bergsteiger. Ich werde freundlich von den drei Bergführern, Tobias, Andres und Franzis, begrüßt. Franzis weist mich darauf hin, dass die Wetterbedingungen schwierig sind und es geschätzt nur 50% der Leute mit guter körperlicher Fitness, „Las personas con buena salud“, schaffen können. Persönlich mache ich mir keine Sorgen, um meine eigene Fitness, nun kommt es auf die Gruppe an.

Eine Gruppe von acht jungen Mädchen kommt durch die Türe herein. Sie sehen aus als wären sie gerade von einer Clubnacht zurück gekommen. Eines der Mädchen setzt sich auf den nächst gelegenen Stuhl, klappt ihren Minispiegel aus und pudert sich erst mal ihr Gesicht. Da der Putz schon ordentlich abbröckelt, frag ich mich, wo sie das ganze Zeug noch hintun will. Noch mehr frag ich mich, warum man sich für eine Vulkanbesteigung schminken muss? Aha, sie ist noch nicht fertig – der Mascara darf natürlich auch nicht fehlen. Das macht es schon besser! Ich muss an meinen Deutschlehrer zu Abiturzeiten denken. Unlieb hätte er die Mädchen als „antriebslose Sesselmutanten“ bezeichnet. Ich mach sowas natürlich nicht und zitiere lieber meinen Lehrer im Gedanken. Manoman – das wird ein Spaß werden! Zuletzt schließen sich der Gruppe noch zwei Israelis und ein Pärchen aus Brasilien an. Deren Augen entlese ich, dass sie es schon weit ernster mit der Besteigung des Vulkans meinen. Es wird alles gut!

Nach einer knapp einstündigen Fahrt stehen knapp vierzig Touristen, Bergsteiger und Guides zu Fuße des Villarricas. Optional und kostenpflichtig lässt sich der erste Abschnitt mit einem Sessellift überbrücken. Außer mir entschließen sich alle für die Fahrt. Allein steh ich da, leicht zweifelnd an mir selbst. Muss ich denn immer gegen den Strom schwimmen? Es ist kalt, um die 0°, und ich sehe keinen Sinn darin im Lift zu unterkühlen. Egal – Andres begleitet mich. Locker marschieren wir den Berg hinauf. Er schärzelt über die Gruppe und freut sich schon darauf die „Las caras del monstruo“ (Nein – das übersetzte ich nun nicht) der überschminkten und schwitzenden Mädchen zu sehen.

 

Liftstation Ruine
Liftstation Ruine

 

Nach dreißig Minuten befinden wir uns an der Liftstation. Fünfzehn weitere Minuten später schließe ich zur ersten Gruppe, angeführt von dem Schweizer Bergführer Tobias, auf. Nun hat er die beiden Israelis und mich im Schlepptau. Wenig später wird Andres zum Abstieg mit zwei von den Mädels aufbrechen. Franzis, die junge Chilenin, nimmt sich dem Rest der Truppe an. Wir passieren eine alte Liftstation die als Ruine ziemlich eindrucksvoll am Berg steht. Von deren Dach bietet sich ein toller Ausblick auf die Städtchen, Pucón und Villarrica, und die vom Licht der ersten Sonnenstrahlen gezeichneten Wolkenlandschaft.

 

Ende Villarrica
Ende Villarrica

 

Der Weg bis zum Gletscherrand gestaltet sich ziemlich unspektakulär. Der Pfad ist leicht zu begehen und gut festgetreten. Tobias macht nur wenige Pausen. Nach eineinhalb Stunden erblicken wir den Gletscher. Tobias kontrolliert die Bedingungen, vor allem den Wind weiter oben, und gibt grünes Licht für einen weiteren Anstieg. Übrig bleiben die beiden Israelis, der Brasilianer, und ich. Die anderen der Gruppe genügen sich mit einer Pause und der Aussicht. Es wird Zeit für die Steigeisen. Alle sind wir guter Dinge und freuen uns endlich auf Eis zu gehen. Nach einer kleinen Einweisung geht es auch schon los. Gemächlich geht es voran, im Zickzackkurs dem Krater entgegen.

Mittlerweile steht die Sonne ziemlich hoch und spendet warme Sonnenstrahlen. Ich fühle mich super, die kühle Luft spendet mit jedem Atemzug enorme Energie. Mein Blutkreislauf kommt so langsam in Fahrt, hält mich warm und will mich vorantreiben. Aber das Tempo bestimmt nicht mein Blut sondern der Bergführer. Dessen Schritttempo kommt der Besteigung eines 6000ers gleich, wo weitaus weniger Sauerstoff zur Verfügung steht. Aber er muss sich schließlich um die Gruppe kümmern. Das verstehe ich und zügle meinen Schritt.

 

Abstieg
Abstieg

 

Eine weitere Stunde vergeht. Mit konstanter Geschwindigkeit rücken wir dem Kraterrand immer näher. Der Wind ist böig und doch ziemlich stark. Noch nicht grenzwertig, aber für unerfahrene Bergsteiger alles andere als vertrauenserweckend. Alle haben wir mit dem Wind zu kämpfen. Der eine mehr – der andere weniger. Dann bricht plötzlich einer der Israelis zusammen. Er kann sich nicht mehr auf den Füßen halten, ist körperlich erschöpft. Aber er rappelt sich wieder auf und geht weiter. Schon wenige Minuten später verlässt ihm jedoch alle Kraft. Ich leide mit ihm. Auch er hat sich den Gipfel gewünscht. Franzis kommt ihm zur Hilfe und somit waren es nur noch drei in der Gruppe um Tobias.

Es geht weiter. Nur noch wenige Meter trennen uns von dem wohl schwierigsten Teilstück der ganzen Besteigung. Vor uns liegt der Gipfel, man kann den Rauch des Vulkans deutlich sehen. Um dort hin zu kommen gilt es allerdings noch ein letztes Stück des Gletschers zu besteigen. Ein Stück mit einer beachtlichen Steigung. Aber soweit kommen wir nicht. Auch der Brasilianer kämpft mit sich, verlangt nach einer Pause und etwas zu essen. Tobias will uns noch in eine vom Wind geschützte „Ecke“ führen. Aber auch soweit kommt es nicht. Der Brasilianer winkt nur noch mit den Händen. Er gibt auf und will nur noch eins – nach unten.

Stille – ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen. Ich fühle mich prächtig und der Kraterrand scheint so nahe. Aber es liegt nicht in meiner Hand. Ich hatte mich der Gruppe angeschlossen und somit geh ich auch mit der Gruppe zurück ins Tal. Der Brasilianer entschuldigt sich mehrmals bei mir, was mir schon peinlich ist. „Macht nichts!“, gebe ich ihm zu verstehen, „Morgen ist auch noch ein Tag!“. Ich schieße noch ein „Gipfelfoto“ ohne Lächeln und lasse es gut sein. Ab nach unten!

 

Gipfelfoto
„Gipfel“foto

 

Und genau so ist es! Wieder im Tal schmiede ich Pläne. Das Gipfelglück blieb aus und ich will mich nicht so leicht geschlagen geben. Ziemlich sicher hätte ich den Berg besteigen können. Leider lag es aber nicht nur an mir. Im Vorfeld war mir schon klar, dass bei einer wild zusammen gewürfelten Gruppe meist Probleme auftreten. Die anderen der Gruppe waren scheinbar alle mit dem, mit ihrem, erreichten Ziel zufrieden. Somit übe ich mich für heute auch darin!

 

Einen Tag später begebe ich mich um ein Uhr Nachts noch einmal zum Villarrica. Es sollte einer der schönsten Bergtouren meines Lebens werden. So gut, dass ich noch einen extra Artikel darüber verfassen werde.

 

Dies ist also die Vorgeschichte gewesen. Freut euch auf das was noch kommt!
Meine Geschichte zur Besteigung des Villarrica. Im Alleingang, bei sternenklarer Nacht und im Lichte des Halbmondes… Allein das sagt schon viel aus!

Ach ja – Sonnenaufgang und Frühstück am Gipfel inklusive.

Bis bald!

 

 


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5 Kommentare on Vulkan Villarrica – Besteigung mit Hürden

  1. Toller Schreibstil,“autoreifengrosse Eisbrocken flogen vorbei um unten wie Glas zu zerschellen“. Bin selber gerade hier in Pucon, inzwischen kostets 100€. Würde auch gerne selber gehen, auch wenns verboten ist…..Gruss Alex

  2. Hallo Martin,

    tolle Bericht(e), vielen Dank.
    Erlaube mir folgende Frage zum Schuhwerk:

    da der Ausflug auf den Vulkan der einzige ist, für den auf meinem bevorstehenden Tripp durch Chile Steigeisen benötige: muß ich meine schweren steigeisenfesten Bergstiefel mitbringen? Bei 45°Steigung kommen mir da bei einfachen Trekkingschuhen da so gewisse Zweifel auf? Oder kann man die vorort auch ausleihen?

    Gruß Michael.

  3. Toller Bericht :)
    Meine Freundin und ich waren im März 2015 oben. Wir hatten Glück und haben bei der Conaf eine Genehmigung mit unseren DAV-Ausweisen ergattern können. Dadurch konnten wir uns über 2 Stunden am Kraterrand aufhalten. Bei den Tourgruppen, die uns begegnet sind, war die Zeit am Krater auf 5 Minuten begrenzt. Und das für den stolzen Preis von 80-100 €…

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