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Literweise Chicha in Peru – Bilder von Natalie Fernandez

Projekt Chicha Natalie
Projekt Chicha Natalie
Bilder von Natalie Fernandez aus Peru

Follow your vision – Das Auge macht das Bild. Prost – sag ich nur! Um es gleich vorneweg zu nehmen. Nein – das Kind trinkt im Bild kein Bier, auch keine Mass. Der Junge hatte allerdings großen Durst auf einen Becher Chicha. Das ist ein peruanisches, nichtalkoholisches Getränk, was schon von den Inkas konsumiert wurde. Ich kann mich noch sehr gut an den Besuch bei der Familie erinnern. Ich war zusammen mit Natalie Fernandez, einer Fotografin aus Urubamba – Peru, unterwegs. Sie hatte mich eingeladen ihr Projekt zu begleiten. Ich mochte ihre Arbeit und somit wurde ich im Sommer 2016 für ein paar Wochen ihr Fotoassistent. Wir waren in der Andenregion um Cusco unterwegs, hatten viele Familien besucht und natürlich auch viel Chicha getrunken. Wer meinen Diavortrag kennt, kann sich vielleicht an die Geschichte am Rande erinnern. Da irgendwie nie Platz war, um über die Arbeit von Natalie zu berichten, will ich dem Ganzen mit diesem Artikel etwas nachkommen. Während meiner langen Reise reihte sich ein Erlebnis an das andere. Manche davon waren besonders und veränderten meine Sicht auf – ja was eigentlich – die Dinge die mich so täglich beschäftigen eben. Die Zeit mit Natalie war genau eines jener Erlebnisse.

„Wer keine Zeit für Chicha hat, der muss es bleiben lassen!“ Das war dann auch gleich meine erste Lektion. Von wegen es wird gleich wie wild der Auslöser betätigt. Ich war ja schließlich der Schüler. Zuerst war „Sozial Networking“ angesagt. In dem Fall belief sich das darauf eine Chicha-Bar nach der anderen zu besuchen. Wie sich es gehört wurde jedem erstmal ein Becher Chicha (die sind immer mindestens einen Liter groß) auf den Tisch gestellt. Chicha trinken gleicht mancherorts einer Meditation. Viele Arbeiter nehmen sich die Zeit für 3 – 4 Gläser, um wieder Energie für die harte Arbeit zu sammeln. Auch die peruanischen Frauen sind sehr trinkfest und „ein Chicha geht noch“ hört man sie schon des Öfteren sagen. Gerade jene Ruhe, das Zusammensitzen mit fremden Menschen, hatte mich immer sehr beeindruckt. Irgendwann folgten dann die ersten Gespräche. Natalie hatte ihre Absichten erklärt, ein Buch über die Kunst des Chichabrauens will sie erstellen. Dafür will sie am Leben der Frauen teilhaben. Chicha, dass muss man wissen, wird ausschließlich von Frauen hergestellt!

Und somit war ich dann auch schon schneller Teil des Projektes als ich gedacht hatte. Die Türen gingen auf und ich wurde in ein wundersames Haus nach dem anderen eingelassen. Den Blick für den richtigen Moment. Natalie hat nur eine Kamera, ein Objektiv – fertig. Ihr Talent ist es scheinbar die Zeit vorhersagen zu können. Sie wartet ruhig und mit Bedacht auf jene Momente die eine Geschichte erzählen können. Ihre Fujifilm X100 ist meinst nur ganz kurz vor dem Auge – ein Klick – so als wäre nichts passiert. Manchmal kam es mir so vor als hätten uns unsere Gäste schon völlig vergessen. Bei Porträtaufnahmen sorgte ich für das passende Licht und manchmal auch für etwas Unterhaltung, um die Stimmung zu lockern. Der Fokus war die Geschichte und der Meister eine Fotografin mit Gefühl und Verstand. Natalie begleitete die Chichafrauen für Monate. Von der Ernte vom nötigen Mais, der Trocknung, über die Fermentierung bis hin zum ersten Ausschank war alles dabei. Natürlich dürfen die Feste dabei auch nicht fehlen. Auf Hochzeiten wird Chicha in Hektolitern an die Gäste verteilt. Und ja – wir waren auch dort live dabei.

Natalie ist Fotografin mit Herz. Ihre Projekte führt sie hauptsächlich durch ihr Heimatland Peru, aber auch in anderen Ländern Südamerikas sucht sie die besonderen Momente für ihre Fotografie. Bald wird sie an einer neuen Fotoreportage, über die Minen- und Gebirgsstadt Potosi in Bolivien, arbeiten. Sie wird Menschen und Familien besuchen, welche von so vielen vergessen scheinen. Wie ich sie kenne, wird sie sich sehr viel Zeit dafür nehmen.  Das war auch das, was mich immer am meisten beeindruckt hatte. Ihre Ruhe und die Einfachheit mit der sie an Ihre Reportagen herangeht. Da gibt es keinen hektischen Objektivwechsel, keine Lightroomorgien oder sonstigen Technikwahnsinn. „Simple is best!“ Wenn es nichts zu fotografieren gibt, wird die Kamera auch einfach in der Tasche gelassen. Aber das Auge ist bei ihr immer bereit für die richtige Aufnahme im richtigen Moment. Somit hatte ich gelernt ruhig zu sein und mich an der Kunst des „Visual Storytelling“ zu versuchen. Und es hat Spaß gemacht.

Die Realität sieht so aus, dass für solche Projekte meist keine Gelder zur Verfügung gestellt werden. Somit finanziert sich Natalie ihre Projekte selber, arbeitet nebenbei als Masseurin oder in Fotostudios. Es ist ein hartes Brot und irgendwie kann ich das nur allzu gut nachvollziehen. Das Lob ist groß – aber der Erfolg lässt noch auf sich hoffen. Auch Natalies Leben schreibt neben den Fotos ihre ganz eigene Geschichte. Vor einigen Monaten wurde bei ihrer Mutter, Patricia, ein Gehirntumor diagnostiziert, was die ganze Familie in finanzielle Nöte geschlagen hat. Natalie kämpft für Patricia und gibt trotzdem nicht auf weiter an ihren Reportagen zu arbeiten. Ihr Durchhaltevermögen begeistert mich immer mehr. Auch das Leid ihrer Mutter dokumentiert Natalie fotografisch – jene Bilder will sie allerdings nicht zeigen. Zu emotional und traurig wären jene. Mehr Infos (eng) dazu -> HIER <-.

 

Ein wahres Fotografenherz ist vielfältig. Natalie sieht keine festen Objekte, keine gestellten Szenen – nein – sie sieht das Leben, auch ihr Leben, und packt alles zusammen in die Kunst einer jeden Fotografie.

 

Ich finde jene Einstellung zum Thema schlichtweg genial. Natalie hat meine Denkweise diesbezüglich bis heute nachhaltig geprägt.

Nun aber genug geschrieben. Hier nun eine kleine Auswahl der Bilder zum Chicha-Projekt. Ich kann euch nur empfehlen bei Instagram (Natalie Fernandez – Instagram) vorbei zu schauen. Ich bin immer ganz angetan von Natalies Sichtweise auf die Welt und ihre Heimat Peru.

 


Ihre Fotografie vermittelt Emotionen,  oft traurig, verträumt, manchmal lustig, meist wunderschön, immer originell und ganz sicher mit viel Liebe zum Thema. 


 

Tipp: -> Klickt auf eines der Bilder und erfreut euch der Details in der Lightbox.

 

 

Projekt Chicha Natalie
Mais auf dem Rücken
Projekt Chicha Natalie
Junge und Chicha
Projekt Chicha Natalie
Schatten im Waschbad
Projekt Chicha Natalie
Spiegel in der Küche
Projekt Chicha Natalie
Gänsemarsch
Projekt Chicha Natalie
Frauen bei der Haarpflege
Projekt Chicha Natalie
La Chicha
Projekt Chicha Natalie
Schatten
Projekt Chicha Natalie
Dina mit Freunden
Projekt Chicha Natalie
Chicha Krug
Projekt Chicha Natalie
Arbeit im Haus
Projekt Chicha Natalie
Wasser von Chichazubereitung
Projekt Chicha Natalie
Chichabar in Peru

 

Tolle Bilder – Nicht? In ein bis zwei Generationen wird es jene Chicha-Kultur wohl nicht mehr geben. Wie überall auf unseren Planeten holt die Moderne alte Traditionen ein und lässt sie langsam aber sicher verschwinden. Am Ende bleibt die Erinnerung und mit etwas Glück vielleicht ein paar Bilder und Texte. Menschen wie Natalie handeln aus tiefer Überzeugung und nicht, um finanziellen Interessen gerecht zu werden. Ich finde dies höchst ehrenvoll und bewundernswert. „The more you give – the more you get!“ – wer Freiheitenwelt kennt weiß wovon ich rede. Ich wünsche Natalie auch einmal etwas mehr GET an dieser Stelle, weiß ich doch das nicht überall Rosen blühen in ihrem Leben…

Vielen Dank an Natalie für das Bildmaterial und ihre Dokumentation. Ich freue mich schon auf das fertige Buch. Ich wünsche ihr, ihrer Mutter, der Familie und allen Peruanern, die auch meinen Chicha-Weg begleitet hatten, alles erdenklich Gute. Und natürlich will ich noch mehr tolle Bildreportagen sehen. Sobald das fertige Bildband über die Chichakunst vom Stapel läuft werde ich es euch natürlich berichten.

Wir sehen uns sicherlich auch mal wieder. ;-)

 


Noch einmal der Hinweis auf das Spendenkonto für Natalies Krebskranke Mutter.

 

-> HIER SPENDEN <- 

 

Falls ihr das Leben von Natalie etwas erleichtern, ihr etwas weniger finanzielle Sorgen und mehr Platz für ihre Fotografie ermöglichen wollt, seit ihr dort im Moment ganz gut aufgehoben.


 

Euer Martin

 

 


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