So planlos wie meine Reise bis jetzt verlaufen ist, so planlos stehe ich zum Sonnenuntergang vor einem kleinen „Mercado“. Nahe las Cardas, irgendwo auf der Routa 43. Es ist Sonntag und ich weiß nicht so recht wohin. Da sich die Sonne schon verabschiedet, muss ein Platz für mein Zelt oder eine Unterkunft gefunden werden. Aber wo? Hier ist es wie im Niemandsland. In der Gegend gibt es viele Landwirte und kilometerlange Zäune versperren den Zugang zu einsamen Stellplätzen für das Zelt. Meistens lösen sich solche Situationen von selber und ich denke vorerst nicht weiter darüber nach. Stattdessen versorge ich mich mit Lebensmitteln für die nächsten Tage. Nach dem Einkauf stehe ich also weiterhin planlos in der Prärie. Die Lösung meines Problems ergibt sich, fast wie erwartet, ganz von selbst.
Während ich so dastehe spricht mich ein freundlicher Chilene an. Alex ist sein Name. Mein Motorrad sorgt immer für großes Aufsehen und so will auch Alex mehr über das Motorrad und meine Reise wissen. Wie groß der Motor sei, fragt er mich. Wie lange ich reise und woher ich komme? Es sind immer die gleichen Fragen und mittlerweile antworte ich fast schon automatisch mit den gleichen Sätzen. Er hat Bier gekauft, für sich, seinen Bruder und den Vater. Ob ich nicht auch ein Glas haben möchte, fragt er weiter. Auch für mein Motorrad hat er natürlich einen Unterstellplatz. Bett und Abendessen sind natürlich auch inklusive. Na was sagt man dazu? Der Einladung gehe ich natürlich nach und wenig später folge ich auch schon Alex in seinem Auto zu einem Farmhaus. Eines jener Häuser umringt von den besagten Zäunen.
Ich werde herzlich empfangen und lerne auch gleich Oscar, seinen Bruder, und den Vater der Beiden kennen. Zu dritt leben sie inmitten von Limonen- und Olivenbäumen. Eine kleine Oase. Oscar führt mich mit einem Glas Bier in der Hand über das Gelände. Zeigt mit voller Stolz sein Land. Er ist Maurer von Beruf, arbeitet viel. Er zeigt mir seine Arbeiten, mehrere eindrucksvolle Brunnen und sogar einen Pool hat er für den Nachbarn gebaut. Sein Hobby ist die Landwirtschaft. Wobei ich ziemlich erstaunt war, dass die mehr al 1000 Limonen- und Olivenbäume nur für die Familie und Freunde genutzt werden. Die Ernte fällt dieses Jahr ziemlich mau aus. Unerwarteter Frost hat die Blüten im Frühling erfroren. Er zeigt mir Zitronen und Limonen die ich mein Leben noch nicht gesehen hatte. Eine roch dabei besser als die andere. Ein wirklich schöner Ort.
Zum Abend kocht Oscar während ich mich mit seinem Vater unterhalte. Seine Frau ist im vergangen Jahr an Krebs gestorben. Seitdem fehlt die Dame im Hause. Alex ist ein Chaot. Springt ständig umher und macht Späße. Auch der völlig unangebrachte Hitlergruß, eine Geste die man als Deutscher oft auf Reisen empfängt, darf da nicht fehlen. Ich klär in ihn auf, was es damit auf sich hat. In Geschichte lernt der Chilene wohl nicht viel über das dritte Reich. Seis drum – ich glaub den Spaß macht er sich nun nicht mehr.
Das Essen ist einfach nur köstlich. Oscar ist ein wahrer Künstler in der Küche, will ich doch gar nicht mehr aufhören zu Essen. Es gab einen besonderen Fisch. Ich denke Schwertfisch. Dessen spanischen Namen hab ich schon wieder vergessen. Zumindest hatte ich ein Schwert in der Hand. Gemacht aus dem Rostrum eines Schwertfisches. Später kommt noch der Nachbar vorbei. Das ein „besonderer“ Gast zu Besuch ist hatte sich herumgesprochen. Es gibt mehr Bier und in der Runde diskutieren wir über Chile und die schönen Orte. Ständig ist die Rede von Bunten Bergen. Nahe der Chilenisch– Argentinischen Grenze. „El lugar más hermoso en Chile“ – meint der Nachbar. Der schönste Ort! Na das hört sich doch nach einem Plan für einen abenteuerlichen Ausflug an. Während ich schon im Gedanken Pläne schmiede erzählt der Nachbar weiter von seinem Land. Bis spät in die Nacht.
Nach dieser etwas langen Einleitung komm ich nun zu dem Bericht, denn ich eigentlich schreiben wollte. Meine kleine Expedition zum Cerro Las Tortolas. Ein Berg nahe des beliebten Andenpasses, Paso del Agua Negra. 6160 Meter hoch ist der Las Tortolas und eingebettet in eine bunte, trockene Wüstenlandschaft die einfach nur atemberaubend sein soll. Wohl wissend, dass der Gebirgspass noch gesperrt ist mach ich mit trotzdem auf den Weg. Die Beschreibung der chilenischen Männerbande war einfach zu verlockend, um es unversucht zu lassen. Auch wenn es momentan „unmöglich“ sei dort hin zu fahren. Aber solchen Aussagen schenke ich immer erst glauben, wenn ich es selbst gesehen habe.
Vollgetankt bis zum Limit und mit ausreichend Wasser folge ich der Routa 41 bis nach Junta de Toro. Traumhaft – mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Angekommen, muss bei der „örtlichen“ Polizeistation eine Erlaubnis zum passieren eingeholt werden. Einsam, gelangweilt vom Nichtstun sitzt dort ein Carabinero. Ziemlich erstaunt ist er mich zu sehen. Ein Motorradfahrer, jetzt schon? Der Pass ist doch geschlossen, meine ich seiner Mimik zu entlesen. Als ich von meinem Plan erzähle schüttelt er verneinend den Kopf. „Sólo con una guía!“, hör ich ihn immer wieder sagen. Die Gegend sei mir unbekannt und deswegen kann er mich nicht passieren lassen. Es sei viel zu gefährlich dort oben. Ist ja schließlich eine Wüste. Ich probiere es auf einen anderen Weg und erzähle ihm ein bisschen von meinen bisherigen Abenteuern, meiner Arbeit, meinen Plänen. Als er schlussendlich einen Blick auf mein „Expeditionsmotorrad“ wirft, lässt er sich langsam umstimmen. Er kontrolliert mein Wasser, wirft einen Blick in den Tank (als ob man da was sehen würde).
„Que buena moto!“, sagt er. „Jaja“, denk ich mir – das höre ich ständig. Mach doch bitte nun die Schranke auf! Er lässt es sich nicht nehmen mir ausgiebig die Route zu erklären. Hier sei ein Haus, da eine Brücke, dort tiefer Sand, weiter oben eine heiße Quelle und vieles mehr. Das ganze zeichnet er nebenbei auf ein Stück Papier, welches ich natürlich gleich zu meiner Tourenkarte umfunktioniere. Eigentlich wollte ich noch bei den Bergen campieren. Aber das kann er nicht zu lassen. Ist ja so schon „Una excepción“ und „Hace mucho frio anoche!“, es ist also nachts kalt. Na gut denk ich mir, kann der gute Mann ja nicht wissen was ich sonst so treibe. Ich gebe mich also damit zufrieden bis kurz nach dem Sonnenuntergang bleiben zu dürfen. Das zu dieser Zeit die Fotos besser werden, hat er gleich verstanden.
Schlussendlich geht also die Schranke hoch und ich folge den rauen Pfaden. Mit stetig steigenden Höhenmetern wird auch die Strecke anspruchsvoller. Die KTM ist voll beladen und somit ist es mitunter ein ziemlicher Kampf. Tiefe Sandpassagen, deftige Steigungen und groben Schotter sind zu bewältigen. Neben dem sehr abenteuerlichen Charakter der Route, hat die Landschaft wirklich einiges zu bieten. Wie versprochen – es ist atemberaubend! Schon bald entdecke ich die „Bunten Berge“ rund um den Cerro Las Tortolas. Dieser wiederum thront über allem und stetig fahr ich diesem entgegen. Mehrmals halte ich an, nehme mit Zeit für kurze Spaziergänge.
Bei 3981 Höhenmetern ist für mich dann Schluss. Nicht weil ich nicht mehr möchte oder könnte. Das Benzin geht schlichtweg zu neige. Nur noch 180 Kilometer bleiben bis zur nächsten Tankstelle. Theoretischer weise führt der Pfad sogar bis fast zum Gipfel des Berges. Diesen zu erklimmen bedarf aber wesentlich mehr Zeit als einen Nachmittag. Und mit der Höhenkrankheit ist auch nicht wirklich zu spaßen.
Mir bleibt viel Zeit die Traumlandschaft zum Sonnenuntergang zu erkunden. Für mich ein tolles Gefühl. Mein erster Ausflug in die Berge, zu den Anden Chiles, bringt mich an diesen beeindruckenden Ort. „Vielleicht der schönste Berg Chiles“ – wer weiß – die Männer haben jedenfalls nicht zu wenig versprochen. Ich genieße die Stille und Einsamkeit, während sich die Farben der Landschaft mit der immer tiefer stehenden Sonne intensivieren. Wie gerne wär ich über Nacht hier oben geblieben. Aber abgemacht ist abgemacht und als die Sonne hinter den Bergen im Westen verschwindet las ich mich langsam den Berg hinunter rollen.
Der Polizist freut sich tierisch mich wieder zu sehen. Fast schon etwas übertrieben. Wir quatschen noch ein wenig und ich zeige ihm Fotos der Tour. Ein Abschiedsfoto ist auch hier natürlich obligatorisch. Der Ausflug geht zu Ende und ich fahre in die Nacht, auf der Suche nach einem Nachtlager. Mit einem glücklichen Gefühl. Das hat sich gelohnt!
Das war es also – mein erstes kleines Abenteuer auf Weltreise.
P.S. Beim nächsten Besuch will der freundliche Polizist mich übrigens passieren lassen. Nun kenne ich die Gegend um den Cerro Las Tortolas ja. ;-)
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Hi Martin,
hab mich schon nach dem ersten Beitrag gesehnt, da mich dein ganzes Projekt unheimlich fasziniert!
Ein toller Bericht und die Bilder herrlich.
Schön zu hören, dass es soweit rund läuft. Auch ist es immer wieder schön zu lesen wie gastfreundlich die Menschen sind und was man erfährt auf solchen Reisen. Diese Bekanntschaften und Erlebnisse kann einem niemand mehr nehmen und in gewisser Maßen bin ich schon etwas neidisch.
Freu mich schon auf viele weitere Beiträge und wünsche Dir weiterhin alles Gute bei deiner Reise.
Gruß,
Chris
Sieht alles ziemlich genial aus! Die Farben sind schon ein Knaller. Ich freu mich auf weitere Berichte und werde hier ganz fleißig lesen! :)
Hy Martin,
bin gerade auf Deinen Blog gestoßen und find es einfach toll und unglaublich spannend.
Bin generell ein Fan solcher Unternehmungen und lese sehr gerne darüber.
Werd daher deine Reise/Tour weiterhin verfolgen und freu mich schon auf viele weitere Berichte und Bilder.
Weiterhin eine gute und erfahrungsreiche Reise.
Beste Grüße,
Andreas
PS: Das Bild mit dem „Carabinero“ find ich genail ;)!
Wirklich toller Artikel und mit sehr viel Leidenschaft geschrieben! Deinen Erzählungen nach, kann ich mich da richtig gut hinein versetzen… Die Bilder sind einfach nur grandios! Bin gespannt auf weitere Reiseberichte und wünsche dir jetzt schon einmal ganz viel Spaß…
Grüße, Flori
Hallo Martin,
verfolge Deinen Blog eigentlich schon seit dem ersten Tag der Reise. Echt spannend und die Bilder sind schon sehr beeindruckend.
Gruß aus Ulm, auch von der Julia,
Thomas.
Hi Martin,
bin vor gut 2 Jahren von einer ähnlichen Reise zurückgekommen. Die Anden zwischen Chile und Argentinien knapp vor der Grenze zu Bolivien waren (wie alles andere auch) einfach großartig und schlichtweg atemberaubend!
Viel Spass noch – ich kann mir aus Erfahrung gut vorstellen, wie sehr du diese Reise genießt!
LG,
Sebastian.-