Die erste Grenzstation. Einreise nach Bolivien. Alleine stehe ich zum morgen vor dem Zollhaus und weiß nicht wirklich was zu tun ist. Zuvor in Chile wurden meine Dokumente ziemlich schnell abgearbeitet. Doch nun? Wohin des Weges? Ich finde mich wieder neben einer alten, verrosteten Lokomotive, einem Truck und unscheinbaren Steinhäusern. Ein netter Zöllner hilft mir weiter, zeigt mir den Weg zur „Migracion – Republica de Bolivia“. Es ist ein gutes Stück zu Fuß. Schließlich angekommen tönt laute Partymusik aus dem kleinen Zimmer der Grenzpolitzisten. Etwas irritiert klopfe ich an der Türe. Keine Antwort! Ich klopfe noch einmal, worauf eine Stimme lauthals etwas in den Raum brüllt. Ich verstehe kein Wort, klopfe noch mehr und versuche schließlich die Tür zu öffnen. Verschlossen! Na toll – das funktioniert ja alles bestens hier. Weitere fünf Minuten vergehen bis sich die Tür langsam öffnet. Ein Mann mit äußerst glasigen Augen bittet mich unfreundlich herein. Wie es scheint bin ich richtig. Auf dem Tisch liegen ein großer Stempel und mehrere, offensichtlich wichtige Papiere. Hinter dem Tisch sitzt ein weiterer Grenzer, dessen leuchten in den Augen mit dem seines Companeros im Wettstreit liegt.
Die Musik läuft weiterhin, nur etwas leiser. Lauthals lallend spricht er mich an, fragt mich wohl was ich hier will, oder zumindest, wohin ich will. Ich verstehe kein Wort! Meine Güte, die Beiden haben wirklich ordentlich hingelangt. Ich ergreife die Initiative und erkläre, dass ich nach Bolivien einreisen will, mit einem Motorrad. Ist doch eigentlich nicht so schwer zu begreifen, bin ich doch schließlich an einer Grenze. Es folgt weiteres Lallen. Das wird so nichts! Schließlich lege ich den Pass auf den Tisch, deute auf eine leere Seite im Dokument und auf den Stempel. Das scheint zumindest einer der beiden zu verstehen. Zu gedröhnt schwingt der Mann schließlich den magischen Stempel. Mit Mühe trifft er meinen Pass, kritzelt noch etwas dazu und schickt mich aus dem Büro. Die Türe knallt zu und „beste“ Technomusik bestimmt wieder die Geräuschkulisse. Nun gut! Das war – sagen wir – interessant! Mit dem nötigen Stempel im Pass laufe ich wieder zurück zum nüchternen und immer noch netten Zöllner. Er gibt mir die letzten nötigen Papiere und lässt mich passieren. Eine Schranke gibt es nicht.
Das war also die Grenzstation Ollagüe. So holprig wie mein Start in Bolivien an der Grenze begann, genau so holprig begrüßen mich die Straßen Boliviens. Ich fahre nach Süden. Mitten durch das Altiplano Boliviens. Die Landschaft ist einfach majestätisch. Schon bald passiere ich erste große Vulkane und Berge. Zu meiner linken ragt der Vulcan Caquella mit fast 6000 Metern in die Höhe. Es macht einfach nur Spaß hier zu fahren. Einige Allradfahrzeuge kommen mir entgegen. Vollgepackt mit anderen Touristen erkunden auch sie das Altiplano. So ein 4×4 kommt hier weit besser voran als ich mit meiner KTM. Am schlimmsten ist die Kombination aus Wellblechstraßen und tiefem Sand. Es geht also langsam aber stetig voran.
Zum Nachmittag erreiche ich die Lagune Canapa. Ich entschließe hier zu nächtigen. Mir bleibt viel Zeit die schöne Natur um die Lagune zu bestaunen. Einmal mehr gehe ich auf die Pirsch mit meiner Kamera. Auch hier laben sich die vielen Flamingos an den Organismen, welche der alkalische, salzige See beherbergt. Es ist wirklich erstaunlich, wie die Tiere in solch extremer Umwelt überleben können. Es gibt sicherlich nur wenige Wirbeltiere die hier existieren können. Nur ein paar Andenmöwen gesellen sich noch dazu. Diese sind von meiner abendlichen Anwesenheit nicht sonderlich begeistert. In einer Gruppe fliegen sie ständig über meinen Kopf hinweg, kreischend und wild flatternd. Aber nach einiger Zeit haben auch die Möwen sich an mich gewöhnt. Die Flamingos sind erstaunlich unscheu. Wahrscheinlich sind sie die vielen Menschen schon gewöhnt. Bis fast auf fünf Meter komme ich an die roten Tiere heran. Mit Zurückhaltung nähert sich ein einsamer Wüstenfuchs. Dieser streunt um mein Zelt, wohl in der Hoffnung auf Essensreste von mir. Aber da wird er enttäuscht werden. Außer Spaghetti hat mein Kühlschrank nicht mehr viel zu bieten und alle anderen Lebensmittel sind sicher im Motorradkoffer verstaut.
So nahe am Gewässer, ist es auch hier mächtig kalt zur Nacht. Minus 14 Grad zeigt das Thermometer an. Mit meinem Schlafsack bin ich hier schon ziemlich im Grenzbereich unterwegs. Aber viel Zeit zum Schlafen bleibt mir ohnehin nicht. Nahe der Lagune steht eine meiner Kameras für eine nächtliche Zeitrafferaufnahme bereit. Zur Nacht stehe ich also auf, um mich um das gute Stück zu kümmern. Die kalten Finger und Zehen machen sich bemerkbar, aber dennoch, gerade nachts zeigt sich für mich die ganze Schönheit des Altiplanos. Die Flamingos stehen eng an eng, im leicht zugefrorenen Wasser und wärmen sich gegenseitig. Die Tiere frieren also auch, warum soll es mir viel anders gehen. Wobei ich nicht so viele Artgenossen zum warmkuscheln um mich hab.
Zum Morgen freu ich mich auf die ersten, wärmenden Sonnenstrahlen. Noch bevor der erste Touristentruck hier aufkreuzt packe ich meine Sachen und fahre weiter. Tagesziel – der „Arbol de Piedra„. Aus dem Tagesziel wird ein „Nachtziel“. Die Strecke 80 Kilometer nördlich des Naturdenkmals ist nicht von schlechten Eltern. Fast zehn Stunden benötige ich für die Durchquerung der Wüste. Die vielen Allradfahrzeuge haben ein Wellblech vom feinsten generiert. Dazu kommt noch ein weicher Sand und Schotter. Eine Kombination, welche mich mehrmals zum Stillstand zwingt. Aber wir kämpfen uns langsam aber sicher durch. Als ich beim Steinbaum ankomme, ohne Sturz und Umfaller, bin ich mehr als erstaunt!
Zum Sonnenuntergang wandert es sich schön in die einsame Wüstenwelt hinein. Abseits der Fahrspuren entdecke ich die wahre Wüste des Altiplanos. Felsen, Sand und die entfernte Bergkulisse zeichnen ein wunderschönes Bild. Hier inmitten der Einsamkeit werde ich für die Strapazen des Tages belohnt.
Mein Nachtlager schlage ich unweit des „Arbol de Piedra“ auf. Ohne Zelt, schlafe ich unter freiem Himmel. Einmal mehr in meinen „1 Million Star Hotel“. Es ist einfach nur traumhaft – zur Nacht in den klaren Sternenhimmel zu blicken. Zum Mondaufgang gegen 4 Uhr Nachts nehme ich mir dann auch noch Zeit den „Steinbaum“ zu fotografieren. Einsam, für mich alleine, zeigt er im Mondlicht seine beste Seite.
Ein Abstecher zu den Geysiren „Sol de Manana“ ist obligatorisch. Sol de Mañana zeichnet sich durch intensive geothermische Aktivität mit Geysiren, kochenden Schlammlöchern und Fumarolen aus. Ein mächtiger Geysire und mehrere kochende Schlammlöcher begeistern mich am meisten. Auch hier sammeln sich schon bald Horden von Touristen mit Ihren Allradfahrzeugen. Kleine bunte Krater bilden die Kulisse inmitten einer ansonsten sehr tristen Landschaft. Beißender Schwefelgeruch liegt in der Luft und es ist Vorsicht gefragt. Einige Zeit laufe ich über die verschiedenen, bunten Hügel.
Zur letzten Nacht will ich nahe der bekannten Laguna Verde nächtigen. Die Strecke führt weiter durch verlassene Wüstenlandschaften. Durch die hohe touristische Aktivität in dieser Gegend ist die Landschaft schwer mit Fahrspuren der 4×4-Autos gezeichnet. Gerade um die Lagune sind die Schäden wirklich enorm. Die bolivianische Regierung hat die Wichtigkeit dieses Naturschatzes wohl viel zu spät erkannt. Es ist mein zweiter Besuch hier. Schon vor sechs Jahren konnte ich die Lagune Besuchen. Damals waren weit weniger Fahrspuren zu sehen, auch die Lagune war damals noch mehr „verde“ (grün) als heutzutage. Später erfahre ich, dass der See wohl umgekippt ist. Das leuchtende Grün, welches ich in meiner Erinnerung vor mir sehe, ist also Vergangenheit.
Mehrere Parkwächter suchen mich auf, fordern mich auf die Gegend zu verlassen. Camping ist hier verboten und ich soll im nahegelegenen Hotel einchecken. Das ist nun eine kleine Enttäuschung. Nichts wird es mit dem geplanten Nachtlager in der Einsamkeit, nahe der Lagune. Mir bleibt gerade noch Zeit ein paar Panoramaaufnahmen mit meiner kleinen Sonykamera zu machen. Ich verabschiede mich also von der Pampa Laguna Verde. Im Hotel checke ich trotzdem nicht ein, auch wenn die Wärter sichtlich darauf warten. Stattdessen fahre ich weiter zur Grenze. Dort schlage ich mein Lager inmitten einer nahegelegenen weiten Schotterebene auf.
Die Ausreise, die nächst Grenzstation. Ich will wieder zurück nach Chile, um in San Pedro de Atacama meine Ressourcen aufzustocken. Nach der Erfahrung mit der letzten bolivianischen Grenzstation bin ich ja auf das schlimmste eingestellt. Ein scheinbar freundlicher Grenzer begrüßt mich. Als er das Zollpapier sieht, gibt er mir zu verstehen, dass wohl ein weiterer wichtiger Stempel fehle. Denn müsste ich 80 Kilometer nördlich besorgen. Klar – 80 Kilometer zurück, dafür hab ich nicht einmal genügend Benzin. „Das geht so nicht!“, gebe ich dem Mann zu verstehen. Er schließt die Türe und bittet mich um eine kleine „Spende“. Dafür würde er dann für mich das Papier abstempeln lassen. Noch einmal! Klar – denk ich mir! Der gute Mann will mich nur abzocken. Treffe ich nun auch auf den ersten korrupten Beamten. Ich verweigere mich! Er schließt die Türe auf und lässt mich unbeachtet vor der Türe stehen. Kommt Zeit kommt Rat! Ich kümmere mich um mein Motorrad und organisiere mein Gepäck etwas besser. Nach vielleicht zwei Stunden stupst mich jemand von hinten an. Ein weiterer Grenzer drückt mir meinen abgestempelten Pass in die Hand. „No paso nada!“
Keine zwei Minuten später fahr ich zurück nach Chile. So wie die Toilette nahe der Grenzstation stinkt – so stinkt mir auch die Bürokratie Boliviens…
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Als ich damals von den USA für einen Tag nach Mexiko wollte ging es mir ähnlich an der Grenze. Immer wieder ein Abenteuer.
Viel Spass weiterhin!
PS: Ich bin wohl ab dem 05.05. in den Great Plains.
Durch gwegner.de bin ich auf dich aufmerksam geworden. Deine Texte sind gekonnt geschrieben und ich fühle mich oft, als wäre ich dabei. Großartig! Deine Fotos sind augenschmeichelnd und zeigen wunderbar die Naturschönheiten. Einfach grandios! Ich werde Dir weiter folgen auf deiner Reise um die Welt. Danke für deine Zeit und Mühe, deine Erlebnisse zu teilen.
Hallo Martin,
wieder einmal ein herrlicher Bericht und die Bilder grandios!!!
Der Anfang deines Berichtes mit den zugedröhnten Grenzern ist der Hammer. Sry, aber ich musste wirklich unheimlich lachen und ich hoffe Dir ergeht es irgendwann selbst so, wenn Du dich an die Situation zurück erinnerst!
Freue mich auf Deine weiteren Berichte und weiterhin eine gute Fahrt.
Beste Grüße,
Chris
Moin Christian,
ich fands gleich danach schon ziemlich lustig. Hät so gern ein Foto von den beiden gehabt. Aber naja – ist immer etwas kritisch an der Grenze. Aber die „tolle“ Musik hab ich auf Video. ;-)
Hey Martin,
glaub da hast Du Dich richtig entschieden zu dem Zeitpunkt, aber das Video würde ich gerne mal zu gesicht/gehör bekommen ;)!
Betse Grüße,
Chris
Hey,
mit welcher Linse hast Du das Bild „Flamingos“ mit den drei Vögeln im Wasser auf der Homepage gemacht?
Festbrennweite oder Tele?
Gruß Dominik
Moin Dominik,
das Bild ist mit dem 70-300 (https://goo.gl/01WsfE) entstanden. Bei 300 Milimeter. Leider hat mein Objektiv ein Problem mit der Schärfe ab 200 Milimeter, deswegen gehen mir viele Bilder im Telebereich flöten. Sobald ich in einer größeren Stadt bin werde ich es wohl reparieren lassen. Gibt sicherlich bessere Teleobjektive – aber der Platz im Motorradrucksack ist eben stark begrenzt.
Schönen Gruß
Martin
[…] fahre ich unbekannten Routen entlang. Einige davon sind, wie schon in Bolivien, nicht von schlechten Eltern. Enorme Anstiege auf losem Untergrund fordern mich ständig auf die […]