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Reisefotograf Thorge Berger im Interview

Thorge Berger Interview

Zeit für ein Interview. Wie schon in der Vergangenheit, will ich euch heute wieder einen neuen Abenteuerfotografen vorstellen. In diesem Fall geht die Reise hauptsächlich nach Indien, dem Land der Gegensätze, bunter Farben und 1000 Gerüche. Da ich selber noch nicht dort war, interessieren mich Geschichten aus dem Land schon jeher. Als ich im Oktober 2017  beim El-Mundo Festival zum ersten Mal die Bilder von Thorge Berger auf der großen Leinwand sah, war ich wirklich absolut baff. In dem Land läuft wirklich ein ganz anderer Film. Auch hatten mich seine sehr ausdrucksstarken Porträts sehr berührt und ich wusste – den Typ will ich unbedingt kennenlernen. Mittlerweile kennen wir uns sehr gut, sind Freunde geworden und man trifft sich schon einmal bei dem ein oder anderen Event rund um die Vortrags- und Fotografieszene.

 

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Es freut mich also das Thorge sich die Zeit genommen hat meine Fragen zu beantworten. Zu seinen aktuellen Projekten findet ihr die Links im Text. Ansonsten kann ich euch nur empfehlen einmal auf seinem Instagram, Facebook oder der Homepage vorbei zu schauen. Thorge ist dieses Jahr auch bei den Freiheitenwelt Lichtspielen mit dabei. Ein Vortrag auf den ich mich ganz besonders freue. Weitere Infos findet ihr -> HIER <-.

Nun aber zum Interview – viel Spaß damit!

 

Thorge Berger Interview

 

FW: Hi Thorge. Wir hatten uns vor einer Weile beim El Mundo Festival in Österreich getroffen und ich war ja von deiner Geschichte aus Indien absolut überwältigt. Was ich mich gerade frage – wie oft warst du eigentlich schon in dem Land und hast du auch noch andere Länder die du regelmäßig besuchst? Wie lange fotografierst du schon als Reisefotograf? 

Thorge: Hi Martin! Ja, ich erinnere mich noch gut an El Mundo, war ein tolles Festival! Ich fotografiere bereits seit meinem 16. Lebensjahr. Damals habe ich von meinem Vater meine erste Nikon bekommen. Das ist inzwischen – oh je! – erschreckende 35 Jahre her! Aber, erst 2010 wurde es bei mir ernsthafter mit der Fotografie. Damals war ich mit Steve McCurry in Indien, habe viel gelernt und anschließend meine erste Ausstellung organisiert. Außerdem habe ich mich damals in Indien „verliebt“. Seitdem war ich fast jedes Jahr dort, in manchen Jahren sogar mehrfach. Unmittelbar, bevor ich im November zu dir zu den Freiheitenwelt Lichtspielen komme, bin ich auch wieder in Indien. Und im Dezember/Januar bin ich dann schon wieder dort! Irgendwann bürgern sie mich ein ;-). Aber, neben Indien habe ich auch viele andere Länder bereist. Inzwischen komme ich auf fünf Kontinente und über fünfzig Länder! Zu den Ländern, in die ich immer wieder gerne Reise, gehören z.B. Bhutan, Myanmar und Thailand, wo ich auch gute Freunde habe. Aber, ich reise auch gerne nach Afrika und meine Wunschliste ist noch lang …

 

FW: Neben den Vorträgen veröffentlichst du deine Bilder ja auch in Büchern, Magazinen oder Online? Wo genau kann man sich denn deine Arbeiten ansehen und was ist für dich das wichtigste Medium?

Thorge: Ich arbeite als freier Fotograf und Autor für verschiedene Magazine, für einige auch regelmäßig. So habe ich z.B. eine Artikelserie zum Thema Reisefotografie im Fotoforum Magazin, veröffentlicht und dort eine Titelgeschichte zum Thema (Fotografieren im) „Iran“ gehabt. Aber, auch im Fotoespresso erscheinen regelmäßig Artikel von mir. Dort habe ich es bisher auf sieben Beiträge gebracht, davon drei Titelbilder. Und dann habe ich noch Fotos und Artikel in DigitalPHOTO, Outdoor Fotografie, dem Pictures Magazin und kürzlich auch eine Fotoreportage über Kalkutta im Globetrotter Magazin (Schweizer Ausgabe) veröffentlicht. Hin und wieder schreibe ich auch Beiträge für Foto-Webseiten, wie PetaPixel und Nikonrumors. Außerdem arbeite ich noch an einem Buch, das nächstes Jahr im Herbst erscheinen soll.

 

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FW: Indien ist für viele noch ein Land mit unendlichen Fragezeichen. Wenn man sich in der Reisebranche so umhört, steht das Land gerne etwas hinten an, im Vergleich zu z.B. Südamerika, USA, Australien und Co. Wie empfindest du das und was begeistert dich eigentlich so sehr an diesem „Magischen Indien“ – wie ja dein aktueller Vortrag heißt?  

Thorge: Ja, Indien ist in der Breite vielleicht eher nicht so populär, wie andere Länder. Das liegt vermutlich daran, dass Indien für viele Deutsche doch noch sehr „exotisch“ ist, obwohl manch andere Länder viel weiter weg sind, wie z.B. Thailand, Australien. Und dann ist Indien ein „Land der Extreme“. Alles ist irgendwie intensiver und „mehr“: Farben, Gerüche, Menschen, Verkehr, Temperaturen … Mich reizt aber gerade das: in Indien gibt es vieles, was noch sehr „authentisch“ und für uns vielleicht auch exotisch ist. Indien ist auch ein Land, in dem die Menschen z.T. noch sehr traditionell leben und wo Veränderungen deutlich länger brauchen, als in vielen anderen Ländern. Einerseits bleibt es dadurch sicher in mancher Hinsicht „rückständig“, aber es erhält sich so auch seine kulturelle Identität, die leider in anderen Ländern auf der Strecke zu bleiben droht. Es heißt, wer zum ersten Mal nach Indien kommt, liebt es oder hasst es. Da ist vermutlich auch etwas dran. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit Indien zu lieben und zu hassen! Ganz überwiegend liebe ich Indien, die Menschen und ihre Kultur. Aber natürlich gibt es auch wirklich üble Dinge in Indien, wie z.B. die schrecklichen Vergewaltigungen, die ja auch bei uns durch die Presse gegangen sind. Vermutlich ist das auch einer der Gründe, warum Indien bei uns so ein schlechtes Image hat. Das ist zwar nachvollziehbar, aber es wäre übel, ein Land mit rund 1,2 Milliarden Menschen wegen dieser Taten komplett zu verurteilen. Die Taten selbst will ich damit in keiner Weise verharmlosen. Aber, auch bei uns geschehen schlimme Dinge und wir würden wohl nicht auf die Idee kommen, gleich ganz Deutschland dafür zu verurteilen. 

 

FW: Wie bereitest du dich auf deine Reisen vor und in wie weit beeinflusst dich die Fotografie bei der Vorbereitung? Hattest du eigentlich von Anfang an geplant, mehr mit deinen Bilder zu bewegen, oder hatte sich das zufällig ergeben. Wie ich höre hast du gerade im Moment ein sehr interessantes und bewegendes Kalenderprojekt – um was geht es dort eigentlich genau? 

Thorge: Meine Reisevorbereitung ist sehr stark von der Fotografie geprägt. Ich versuche immer, meine Reisen möglichst ideal auf meine fotografischen Projekte abzustimmen – oder ich mache aus den Reisen ein fotografisches Projekt ;-) Oft recherchiere ich eine Menge im Vorfeld und erstelle eine s.g. „MindMap“ vor meinen Reisen. Tatsächlich ist diese Frage auch immer ein großer Punkt in meinen Workshops zum Thema Reisefotografie, denn … gute Planung und Organisation im Vorfeld verbessert enorm die Chancen auf gute Bilder! Nehmen wir das Projekt, dass du ansprichst: Ich bin Ende letzten Jahres zum ersten Mal nach Kalkutta gereist. Da habe ich mir im Vorfeld eine Menge Gedanken gemacht und recherchiert, was ich fotografieren möchte. Auch war für mich klar, dass ich hinterher versuchen werde eine Reportage zu veröffentlichen (tatsächlich sind es dann zwei geworden). Ein wichtiger Teil der Reise war für mich, die German Doctors  zu besuchen, die dort seit vielen Jahren sehr wertvolle Arbeit für die Ärmsten der Armen leisten. So etwas muss aber abgestimmt werden. Es macht keinen Sinn, „einfach mal vorbei zu gehen“. Also habe ich im Vorfeld Kontakt mit der Pressestelle der German Doctors aufgenommen und so wurden wir erwartet und konnten vor Ort dann einen guten Einblick bekommen. Auch habe ich so die Bilder machen können, die ich mir vorgestellt hatte. Unter anderem habe ich dort für den s.g. „Karma-Kalender“ fotografiert. Das ist ein Projekt, dass es bereits seit vielen Jahren gibt und das von Marc Ludwig, dem Geschäftsführer von FotoTV ins Leben gerufen wurde. Schirmherrin für den Karma-Kalender (wie auch für die German Doctors) ist Dr. Maria Furtwängler. Die Idee ist, einen hochwertigen und schönen Fotokalender (in dem Fall mit Kinderbildern) zu gestalten, den sich die Leute gerne an die Wand hängen. Der Kalender wird im DIN A4-Format gedruckt und für € 10,- verkauft. Der Erlös aus den Verkäufen geht ohne Abzüge komplett an Projekte der German Doctors! Das bedeutet, man kann sich (oder anderen) mit dem Kalender etwas Gutes tun und unterstützt damit auch noch eine wirklich gute Sache! Wie heißt der Slogan …? „Gutes Karma für alle inbegriffen!“.

Mir gefällt, dass ich so mit meinen Bildern mal etwas „zurück geben“ kann. Toll wäre natürlich, wenn viele von deinen Lesern / Fans das Projekt ebenfalls unterstützen! ;-) Der Kalender kann auch bereits vorbestellt werden unter www.karma-kalender.de 

 

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FW: Wie schaffst du es auch in schwierigen Situationen (Ich gehe davon aus man sieht extrem viel Armut in Indien) noch die nötige Ruhe und Gelassenheit aufzubringen, die für eine tolle Fotografie nötig ist? 

Thorge: Ich muss vorweg schicken, dass mich in der Vergangenheit auch schon einiges sehr erschüttert hat, insbesondere die Leprakranken in Indien, die auf der Straße leben oder als ich das erste Mal im Mutter Theresa Haus in Vārānasi war. Dort hatten sie gerade einen älteren Mann hin gebracht, damit er seine letzten Stunden in Würde verbringen kann und nicht auf der Straße sterben muss. Als ich 2010 das erste mal in Indien war, hat mich das, was ich gesehen und erlebt habe, emotional und teils auch körperlich so erschöpft, dass ich an meinem letzten Tag in Delhi fast 12 Stunden durchgeschlafen – und dann meinen Flieger zurück nach Deutschland verpasst habe! Aber, so schrecklich das auch ist, mit der Zeit „gewöhnt“ man sich an manchen Anblick und wird nicht mehr völlig aus der Bahn geworfen. Außerdem können wir ja oft auch etwas tun. Und neben der Möglichkeit Geld zu spenden, finde ich es insbesondere wichtig, den Menschen einfach wertschätzend und freundlich zu begegnen. Ich habe allerdings auch schon Situationen erlebt, in denen es notwendig war, sehr klar und autoritär aufzutreten. Das ist aber eher die Ausnahme.

 

FW: Dein Schwerpunkt liegt ja auch in der Porträtfotografie. Ich bin jedesmal ganz angetan, wenn ich die unterschiedlichen Charaktere sehe. Du hast ein super Talent die Momente, den Ausdruck der Menschen, z.B. auch die Augen, perfekt einzufangen. Wie machst du das? Sicherlich muss man erstmal eine gewisse Verbindung zu den Menschen aufbauen. 

Thorge: Vielen Dank Martin. Und – ja, in vielen Fällen gehe ich vorher in den Kontakt und verbringe ein wenig Zeit mit den Menschen. Das klingt aber größer, als ich es meine bzw. geht mitunter schneller, als man meinen könnte. Wichtig ist, wertschätzend / positiv auf die Leute zu zugehen, dabei aber auch selbstbewusst zu wirken. Ich glaube, viele Menschen würden eher ablehnen, wenn man sie fotografieren möchte, wenn man dabei so wirkt, als wäre man unsicher oder wüsste nicht, was man da tut. Oft habe ich auch Beispielbilder dabei, die ich zeigen kann, wenn ich jemand Fremdes porträtieren möchte. Es geht darum, Vertrauen aufzubauen und da hilft es natürlich, wenn die Menschen sehen, du hast es drauf und möchtest sie „von ihrer schönen Seite zeigen“. Ich habe kein Interesse daran Bilder zu machen, die Menschen diffamieren oder bloßstellen und ich denke, dass merkt man.
Und dann mache ich auch fast nie nur ein Bild. Es gleicht oft eher einer kurzen „Foto-Session“, wenn ich fremde Menschen fotografiere. Dann variiere ich meinen Ansatz… Hochformat, Querformat, Großaufnahme, Ausschnitte / Details und/oder der Mensch in seiner Umgebung etc.. Später suche ich mir dann das Bild aus, das mir aus der Session am besten gefällt. Es gibt aber auch Fälle, in denen ich nicht zuerst eine Beziehung aufbaue. Das gilt insbesondere dann, wenn ich denke, ich würde die Situation / das Motiv verpassen oder „zerstören“, wenn ich nicht sofort auslöse. In den meisten Fällen gehe ich aber hinterher, also wenn ich das Bild gemacht habe, in den Kontakt. Wir sind ja immer auch „Botschafter“ unseres eigenen Landes und unserer „Zunft der Fotografen“. Daher versuche ich, das „Erlebnis“ von mir fotografiert zu werden positiv zu gestalten. Gewissermaßen „win-win“. Dazu gehört in vielen Fällen auch, dass ich den Menschen ihre Bilder zukommen lasse. Das geht ja heute zum Glück meist per Mail, Facebook oder WhatsApp. Aber, ich habe in der Vergangenheit auch schon Ausdrucke nach Bhutan geschickt oder mitgenommen, wenn ich erneut in Länder gereist bin und es gute Chancen gab, die Menschen noch mal zu treffen. So haben wir z.B. mal einen Vormittag in einer Grundschule in Bhutan fotografieren können und hatten unglaublich viel Spaß mit den Kindern. Da ist es für mich selbstverständlich, dass ich die Bilder auch an die Schule schicke! 2011 habe ich einmal einen Bauern in seinem Reisfeld auf Bali fotografiert, und am nächsten Tag habe ich gesehen, dass es im Dorf einen Fotoladen gibt. Dann habe ich dort einen Ausdruck für den Bauern besorgt und bin noch mal hin, um ihm den zu bringen. Der Aufwand hat sich echt gelohnt, der Mann war total überrascht und hat sich sehr gefreut!

 

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FW: Welche Kamera(s) ist (sind) bei dir dabei und was für ein Setup hast du am liebsten in den Händen? Schützt du deine Ausrüstung irgendwie speziell vor z.B. schlechtem Wetter oder Staub? 

Thorge: Wie schon erwähnt, bin ich seit meinem 16. Lebensjahr ein „Nikon-Fotograf“. Da habe ich im Laufe der Jahre viele verschiedene „Kamera-Bodies“ gehabt. Aktuell fotografiere ich bevorzugt mit der D850, weil sie so einen fantastischen Dynamikumfang hat und meiner D4s, die ein echtes „Arbeitspferd“ ist und eine super ISO-Performance bei Low Light hat. Dann nutze ich noch eine D500 mit dem APS-C Sensor, wenn es auf lange Brennweiten ankommt, wie z.B. wenn es um Tier-Fotografie geht. Ich habe inzwischen ein ziemliches Arsenal von Objektiven. Immer dabei habe ich mein 24-70mm f/2.8 und meist auch das 70-200mm f/2.8. Wenn ich vorhabe viel Architektur oder Landschaft zu fotografieren nehme ich meist auch noch ein 16-35mm f/4 mit. Das ergänze ich immer mit entsprechenden Festbrennweiten: 85mm für Portraits, 35mm für den „Reportage-Ansatz“ und manchmal auch 50mm oder 24mm. Letzteres ist toll, wenn ich den Sternenhimmel fotografieren möchte, weil es ein f/1.4 ist. Und wenn ich los ziehe, um Tiere zu fotografieren, nehme ich mein 200-400mm f/4 plus entsprechende Telekonverter. Das hat in Namibia, Botswana und Tansania schon sehr viel Spaß gemacht!

Vor ein paar Jahren habe ich mein System allerdings auch noch um eine Olympus-Kamera (OM-D Em5 Mark II) ergänzt. Diese Handlichkeit und das geringe Gewicht sind manchmal Gold wert. U.a., weil die Airlines leider immer zickiger werden, was das Handgepäck angeht … Und solange genug Licht vorhanden ist, ist die Bildqualität der Olympus wirklich beachtlich! Auch hat sie einen ganz fantastischen Bildstabilisator! Lediglich, wenn man höhere ISO-Werte braucht, wird’s schnell relativ unschön. Und – nach wie vor gewöhnungsbedürftig finde ich das Bildformat von 4:3. Wenn man die Bilder später in einer Multivision nutzen will, muss man von 4:3 auf 16:9 ganz schon was weg schneiden! 

Zum zweiten Teil deiner Frage: Für mich ist das Kamera-Equipment mein Werkzeug, also Mittel zum Zweck. Ich gebe gutes Geld für Profi-Equipment aus und das bedeutet bei Nikon (und bei Olympus), dass man dem Equipment auch mal etwas zumuten kann. Das ist auch gut so, denn so kann ich mich aufs Fotografieren konzentrieren. Ich hatte allerdings auch schon nach meinen Reisen Schäden am Equipment. Zum Glück habe ich eine gute Foto-Versicherung, die so etwas abdeckt.

 

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FW: Welche Gedanken beschäftigen dich während des Prozesses der Fotografie? Vom Klick des Auslösers bis zum fertigen Bild nach der Bildbearbeitung! Was macht ein Foto für dich besonders? 

Thorge: Da laufen sehr viele gedankliche Prozesse, manche bewusst, manche eher unbewusst … Z.B. was genau hat meine Aufmerksamkeit erregt oder was reizt mich an dem Motiv? Was will ich zeigen/vermitteln? Wie bringe ich die Elemente in eine interessante Komposition? Welche Blende brauche ich, um meine Bildaussage zu stützen? Passt die Verschlusszeit, wie hoch muss ich mit dem ISO-Wert usw.. In manchen Fällen fotografiere ich auch schon mit einem Gedanken an die Nachbearbeitung, z.B. wenn der Kontrastumfang die Möglichkeiten des Sensors übersteigt. Bei der heutigen Bilderflut ist es schon eine Leistung, wenn wir an einem Foto „hängen bleiben“. Ein wirklich gutes Foto ist für mich aber eins, dass Emotionen auslöst, vielleicht sogar „eine Geschichte erzählt“. Bei Portraits heißt es, sie sind wirklich gut, wenn sie nicht zeigen, wie jemand aussieht, sondern wer jemand ist. Das mag zwar ein wenig pathetisch klingen, aber ich denke, da ist etwas dran. 

 

FW: Lassen wir die Kamera einmal außen vor. Manchmal bist du offensichtlich auch sehr gerne auch im Freien unterwegs oder verbringst viel Zeit in unbekannten Städten, Dörfern. Ich kann mir vorstellen, dass man sich dabei manchmal ganz schön alleine fühlen kann. Welche Gefühle überkommen dich in solchen Momenten dieser Einsamkeit, oder ist dem gar nicht so? 

Thorge: Zum einen bin ich gar nicht so oft wirklich alleine unterwegs, da ich meist mit lokalen Guides arbeite und/oder Teilnehmer bei meinen Fotoreisen dabei habe, die mich begleiten. Oft ist auch meine Frau dabei. Wenn ich aber tatsächlich mal alleine unterwegs bin, ist es meist nicht lange, und da ich schnell auf andere Menschen zugehen kann, kenne ich die „Einsamkeitserfahrung“ eher wenig. 2005 war ich mal alleine in Thailand, Kambodscha und Laos unterwegs, habe mich aber nie wirklich einsam gefühlt. Ich glaube, es gibt nur wenig, was ich noch schöner finde, als mit der Kamera in einem fremden Land los zu ziehen …

 

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FW: Was war für dich, aus rein fotografischer Sicht, der schönste Ort auf deinen Reisen? Kannst du eine bestimmte Location oder einen Event insbesondere empfehlen? 

Thorge: Oh je, das ist eine Frage, auf die mir die Antwort nicht leicht fällt und das liegt daran, dass ich mich für so viele Dinge fotografisch begeistern kann! Wenn ich anfange, darüber nach zu denken, wird die Liste vermutlich endlos … Stark abhängig ist das Ganze sicher von den eigenen Interessen und fotografischen Schwerpunkten. Wenn ich Tiere fotografieren will, ist Afrika für mich erste Wahl. Namibia, Botswana und Tansania haben mich in dieser Hinsicht schon sehr begeistert. Allerdings, in Indien Tiger zu fotografieren war auch ein unglaubliches Erlebnis! Wenn ich Landschaften fotografieren will, haben mich die Wüsten in Namibia und im Iran schwer beeindruckt. Geht es um Street Photography sind natürlich Städte wie New York großartig, aber auch Kalkutta war für mich ein echtes Highlight in dieser Hinsicht! Und dann ist da noch Vārānasi, diese unglaubliche Stadt am Ganges, die fotografisch extrem viel zu bieten hat. Und auch Yangon und Mandalay in Myanmar sind fantastische Fotoziele … du merkst schon, die Liste wird lang ;-)
Nach Events zu suchen, ist auf jeden Fall ein guter Ansatz. Festivals sind oft hervorragende Möglichkeiten Menschen und ihre Kultur zu fotografieren. Wenn möglich, plane ich meine Reisen sehr gerne um solche Events.

 

FW: Hast du eventuell neue Projekte in Planung? Gibt es überhaupt noch Ziele für dich in Indien oder verschlägt es dich bald wo ganz anders hin? 

Thorge: Oh ja! Ich habe noch eine ganze Reihe Projekte, die bereits geplant sind und laufen. Dazu gehören die, schon erwähnte Reise nach Indien im Oktober, die Fotoreise in den Iran und eine weitere Fotoreise nach Indien zur „Kumbh Mela“, dem größten Pilgerfest der Welt im Januar/Februar 2019. Und natürlich mein Buchprojekt, weitere Artikel und weitere Multivisions-Shows. Am 20. Januar werde ich z.B. in Zürich im Rahmen eines Thementages „Pilgerreisen“ für Explora auf der Bühne stehen.  Mit dabei sind auch die Kollegen Andreas Pröve, Martin Engelmann und Martin Schulte-Kellinghaus. Darauf freue ich mich schon! Und dann habe ich nächstes Jahr eine Menge Foto-Workshops und Seminare, u.a. wieder für Grenzgang in Köln, für FernSichten in Hamburg, Bremen und Oldenburg und für Erdanziehung im Altmühltal und da kommt vermutlich noch einiges dazu … ;-)

Und dann ist meine Wunschliste für Reiseziele noch lang: sowohl für neue Ziele/Länder, als auch für weitere Ziele in Indien. Ganz oben steht bei mir z.B. Äthiopien, wo ich schon mal eine Reise komplett geplant hatte, die dann aber wegen Sicherheitsbedenken abgesagt werden musste, weil es im Omo Valley zu gewaltsamen Konflikten gekommen ist. Oder Bangladesch oder das „Sing Sing“ Festival in Papua Neuguinea. Und in Indien stehen noch Ladakh und Kashmir oben auf meiner Liste. Es gibt auch eine ganze Reihe anderer Länder, die mir sehr gut gefallen haben und in die ich gerne noch einmal mit mehr Zeit und/oder zu anderen Orten reisen möchte, z.B. Japan, Nepal oder der Oman. Außerdem fehlt mir noch der komplette Südamerikanische Kontinent! Da werde ich dich dann vorher um Rat fragen! ;-)

 

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FW: Stehen neue Veröffentlichungen an? Film, Buch etc.?  Was genau behandelst du auf deinem Blog über Reisefotografie ? 

Thorge: Ja, das Buchprojekt habe ich ja bereits erwähnt. Die Veröffentlichung ist für Oktober nächsten Jahres geplant. Ich arbeite aber auch gerade an einem neuen Artikel für das Fotoforum. Aber, es ist zu früh, um darüber zu sprechen, weil ich noch im Abstimmungsprozess mit der Redaktion bin.  Mein „Blog“ ist eigentlich eher eine „News-Seite“ über meine Aktivitäten, denn meine Beiträge und Artikel veröffentliche ich ja in den genannten Magazinen. Allerdings weise ich im Blog immer daraufhin und setze die entsprechenden Links. Manchmal kann man sich dort auch Artikel direkt herunter laden – wenn es von den jeweiligen Magazinen erlaubt ist. Von daher kann es sich durchaus lohnen dort vorbei zu schauen.

 

FW: Willst du uns vielleicht einen kleinen Vorgeschmack davon geben, was am 25. November in Dinkelsbühl zu sehen sein wird. Ich freue mich ja schon sehr dich an dem Abend zu sehen, wenn der Projektor die große Leinwand anstrahlt? 

Thorge: Ja sehr gerne! Zum einen werde ich natürlich über mein Langzeitprojekt in Indien berichten, die „Kumbh Mela“, das größte Pilgerfest der Welt. Allein dafür bin ich viermal nach Indien gereist und es ist ein absolut unglaubliches Spektakel, mit all den Pilgern und vor allem all den Sadhus, den heiligen Männern Indiens. Aber, ich werde auch noch über andere magische Events, Erlebnisse und Orte sprechen und natürlich die Bilder dazu zeigen. Dazu gehört Vārānasi, die heiligste Stadt der Hindus, das berühmte Taj Mahal oder das chaotische Holi Fest, bei dem sich die Inder gegenseitig mit Farbe bewerfen und wo ich mittendrin war! (Du hast keine Vorstellung davon wie ich am Ende selbst aussah!). Ich werde auch vom Ganesha-Festival in Mumbai erzählen, wo erst tausende, zum Teil riesige Figuren des Gottes Ganesha erbaut werden, die dann am Ende des Festes alle im Meer versenkt werden! Und ich werde vom Camel Festival in Bikaner berichten, wo es Schönheitswettbewerbe für Kamele gibt! Oder vom „Drachenfestival“ in Jaipur, wo der Himmel über der Stadt voll mit Papier-Drachen ist. Und von den unfassbaren Theyyam-Festen im Süden Indiens, wo Menschen vorübergehend zu Göttern werden und völlig unglaubliche Dinge tun! Und natürlich werde ich von meiner ersten Begegnung mit Tigern in freier Wildbahn berichten und die Bilder zeigen. Und dann hoffe ich, dass ich „ganz frisch“ schon Bilder und Geschichten aus Kalkutta vom riesigen „Durga Puja“ Fest mitbringe, wo die ganze Stadt Kopf steht und von „Dewali“, dem Fest der Lichter am Goldenen Tempel in Amritsar. Denn da bin ich ja noch im Oktober, also kurz bevor ich zu dir nach Dinkelsbühl komme! Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr darauf, bei dir dabei zu sein und quasi ein „Best-Of“ meiner Indien-Bilder und Geschichten zu präsentieren!

 

FW: Vielen Dank Thorge – ich freu mich sehr auf November. Noch viel Spaß bei deinen Reisen – man sieht sich ja wieder! 

Bilder @Thorge Berger – Copyright

 

„Immer den Träumen hinterher!“

 

Euer Martin

 

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