Ich war die vergangenen Tage wieder als Höhlenforscher tätig. Hier ein kleiner Ausschnitt aus meinem Tagebuch: Was für ein Abenteuer! Indianer führen mich durch einen fast undurchdringlichen Regenwald Venezuelas. Die Tour ist sehr anstrengend. Ab und an regnet es und die Stechmücken können eine wahre Plage sein. Aber meine Führer kennen ihren Weg, ohne sie wäre ich schon längst verloren in diesem dichten, grünen Wald. Sie wollen mir ihr sagenumwobenes Geheimnis preisgeben. Eine Höhle wollen sie mir zeigen. So stehe ich also nach dem mehrtägigen Fußmarsch vor einem Höhlentor und blickte in ein dunkles Nichts. Der Eingang ist riesig, sicherlich 20 Meter im Durchmesser. Er ist nicht rund sondern hat eher eine elliptische Form, die weit höher als breit erscheint. Ich erkenne spitze Felsformationen, kann aber nicht deuten, wie genau diese beschaffen sind. Im Schatten kann ich nur Umrisse erkennen. Die Spitzen befinden sich an der Decke und scheinen bis tief in das innere zu führen. Von weitem betrachtet sieht das ganze wie ein großes, finsteres Maul mit Zähnen aus. Als würde ein riesiges Untier nur darauf warten jeden zu verschlingen, der sich in seine Nähe traut. Langsam wird mir klar, warum die Eingeborenen soviel Misstrauen vor diesem Ort haben. Es ist finster und nur wenig Licht dringt durch den dichten Wald bis hier herunter. Ich fragte mich, was sich tiefer in der Höhle verbirgt?
Der Höhle entrinnen seltsame Laute. Ich vermute Fledermäuse, kann mich aber nicht erinnern schon jemals zuvor solche Geräusche von den nachtaktiven Tieren gehört zu haben. Es kommt mehr den Krächzen und Scharren von Krähen oder Raben gleich. Aber hier in der Höhle? Kann es wirklich sein, dass sich hier eine Vogelkolonie eingenistet hat. Wir rasten und warten mit der Begehung bis morgen. Zum Sonnenuntergang wird klar woher die Geräusche kommen. Ich erblicke eine Vogelart die hier in der Gegend als Guácharo (Fettschwalm) bezeichnet wird. Es sind nachtaktive Vögel, die nun, zur späten Stunde, die schützende Höhle zur Beutejagt verlassen. In großen Schwärmen ziehen sie über uns ihre Kreise bevor sie in den dunklen Wald weiter fliegen. Es sind Tausende.
Der nächste Tag. Zusammen mit den Indianern und einige Fackeln begehen wir die ersten Meter der Höhle. Die Guácheros sind von ihrem Ausflug schon wieder zurück und protestieren lauthals gegen unser eindringen. Wir befinden uns in einer riesigen Halle, welche durch das Tageslicht zum Teil ausgeleuchtet wird. Die Spitzen entpuppen sich als Tropfsteine in den unterschiedlichsten Formationen. Stalakiten, Stalagmiten und auch Stalagnaten sind hier zu finden. Manche sind gigantisch groß und müssen Millionen von Jahren alt sein. Im flackern des Feuers der Fackeln wirken jene besonders eindrucksvoll. Wir müssen nun schon sicherlich einen halben Kilometer gelaufen sein. Ich untersuche die unterschiedlichen seitlichen Gänge und mache mir Skizzen und versuche die Höhle zu kartieren. In einer letzten großen Halle machen meine Führer halt. Sie wollen keinen Schritt weiter gehen. Das letzte bisschen Tageslicht, kaum zu erkennen auf der Wand über uns, deuten sie als Zeichen. Niemand soll hier weiter in das Dunkle schreiten oder ein Unheil wird heraufbeschworen. Ich respektiere die Worte und begebe mich keinen Schritt weiter. Dieser Ort ist faszinierend. Eine wahre Sensation. Venezuela verzaubert mich einmal mehr mit seinen Naturwundern.
Ok ok – ehrlich, dass entspricht wohl nicht mehr ganz der Realität, aber Alexander von Humbolt seine erste Begehung der Cueva del Guácharo am 18ten September 1799 stelle ich mir in etwas genau so vor. Was für ein cooler Typ. Ich hatte die Höhle, wie so viele andere Touristen, mit einem Führer besucht. Es ist nicht meine erste Höhle, welche ich in Südamerika erkunde. Dieses Mal wollte ich allerdings mindestens ein eindrucksvolles Bild mit nach Hause bringen. Und das gestaltet sich auf einer geführten Tour mitunter immer ziemlich schwierig. Meine Begleiterin, wir waren nur zu zweit, hatte mir viel über die Höhle erklärt und war ziemlich flott unterwegs. Insgesamt sind wir bis über einen Kilometer gelaufen. Die Gesamtlänge wird auch 10 Kilometer geschätzt und ist nur für Forscher zugänglich. Also sind wir weiter gegangen als Alexander von Humbolt jemals einen Fuß in die Höhle gesetzt hat. Über die Jahre nach seiner Entdeckung waren viele andere Abenteurer, Forscher und leider auch Personen auf der Sache nach Edelsteinen zu Besuch. Dies bezeugen zumindest die vielen abgebrochenen Tropfsteine, welche nun Jahrmillionen benötigen, um sich wieder zu einer Einheit zu formen.
Der Besuch hat mich wirklich begeistert. Die Geräusche der Vögel sind einfach einzigartig. Tiefer in der Höhle kommt ein Bereich, in den die Vögel nicht vordringen können. Salón del Silencio – wird dieser bezeichnet. Dort ist es dann auf einmal mucksmäuschenstill. Wir finden einige Skorpione, Grillen und auch Ratten. Dort befinden sich auch noch mehr der eindrucksvollen Tropfsteine. Fotografieren mit einem Blitz war nur dort erlaubt. Allerdings konnte ich nicht mehr als ein paar Schnappschüsse schießen. Wie also die Stimmung der Höhle in nur „ein“ Foto packen?
Erst auf dem Rückweg hatte ich die Idee mit dem Tageslicht und der Fackel. Ich finde es einfach genial und bin sehr glücklich damit. Ich hoffe es kann in irgend einer Weise den Abenteuern von Alexander von Humbolt gerecht werden.
Tschau Martin
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