So miteinander! Sechs Uhr morgens – Samstag. Ich sitze noch immer in Puerto Montt fest. Sehnsüchtig wartend auf mein Motorrad, wartend auf die Weiterfahrt, wartend auf das Licht am Horizont. Es regnet und starke Winde fegen am Zelt vorbei. Ich kampiere im Hinterhof eines kleinen, netten Hostals und konnte kein Auge mehr schließen. Neben mir steht ein Kaffee und Trübsinn blasend blicke ich aus dem Fenster. Blicke auf die in Wolken, Grau und Dunkelheit gezeichnete Stadt. Genau die richtige Stimmung, um die Fortsetzung von “Wenns mal nicht so läuft” zu schreiben. Eigentlich sollte es gar keine Fortsetzung geben und viel lieber würde ich euch von all den Abenteuern und tollen Reiseerlebnissen berichten. Möchte positive – schöne Geschichten schreiben. Nun ja – leider gibt es deren momentan nicht so viele.
Hier also die “Highlights” der letzten Wochen. Eine Reisegeschichte die stark von meinem Reisepartner Katze, meinem Motorrad, geprägt ist und hoffentlich nicht in einer Trilogie endet. Eigentlich soll mich das gute Stück ja nur von A nach B bringen, soll seinen Job tun und funktionieren. Aber so einfach ist das nicht. Katze hat Charakter, Katze will gepflegt werden und Katze ist gerade krank. Genau vor einem Monat hatte sich Katze verschnupft und leider nicht davon erholt. Viel schlimmer ist aus dem Schnupfen eine schwere Grippe entstanden. Ein Virus, welcher sämtliche Muskeln, Geist und Sinne – ja die Kraft von Katze deutlich geraubt hat.
Nach dem ersten Infekt war eigentlich alles wieder gut. Munter konnten wir den Norden Patagoniens erkunden. Eine Landschaft geprägt von großen Seen, beeindruckenden Bergen und starkem Wind. Ja der Wind, gerade auf der Routa 40 in Argentinien, der hatte uns schon ziemlich mitgenommen. Aber belohnt wurden wir mit sternenklaren, ruhigen Nächten in einer fast schon unwirklich schönen Gebirgslandschaft. Alles war gut! Katze konnte sich nach getaner Arbeit ausruhen, während ich mit Kamera und Gepäck in den Bergen unterwegs war. Auch meine Muskeln wollen ab und an etwas genutzt werden.
Es waren schöne Tage. Wir haben unser Ding gemacht – waren glücklich. Die Reise führte über einen beeindruckenden Pass nach Chile. Weiter ging es entlang der beliebten Carretera Austral bis Villa O Higgins. Eine traumhafte Straße. Wie gemacht für Katze. Sie schien es zu genießen und schnurrte munter der Schotterpiste entlang. Jede Kurve, jedes Schlagloch, jeden Hügel hat sie geradezu geliebt. Auch eine entspannte Fährfahrt war inklusive. Eine Fährfahrt die wir uns exklusiv mit 17 Pferden teilen durften. In Villa O’ Higgins fand die Tour ihr Ende. Mit Kraftfahrzeugen gibt es kein Weiterkommen und der vorerst südlichste Punkt unserer Südamerikareise war erreicht. Pause!
Während ich mir drei Tage Zeit lasse um die Gegend zu erkunden, fällt Katze in den verdienten Schlaf. Ich wandere entlang des gewaltigen Flusses Rio Mayer, vorbei an Gletschern über schlecht gekennzeichnete Wanderpfade. In der Ferne erblicke ich gewaltige Berge. Es ist schön hier. Auch das kleine Städtchen zeigt sich von seiner besten Seite. Ich besuche ein Rodeo, wo die 17 Fährbegleiter auf ihren ersten Ritt vorbereitet werden. Kleine Restaurants laden mich ein, zum Essen, auf ein Treffen mit anderen Reisenden, auf ein Bier. Ich genieße meine Zeit.
Ich will weiter! Alles ist gepackt und in voller Motoradmontur drücke ich, wie schon so oft zuvor, den Startknopf. Ich will Katze wecken. Aber Katze schläft, nicht nur ein bisschen, sie ist in einen Tiefschlaf versunken. Der Starter dreht sich munter, aber Katze will den Wecker nicht hören, will einfach nicht aufwachen. Ich lasse es klingeln, lange, mit Pausen, bis dem eingebauten Wecker von Katze der Saft ausgeht. Was ist denn nun wieder los? Der Virus ist wieder aktiv, hat Katze ein weiteres Mal geschwächt. Zeit für ein Aspirin in Form eine Überbrückungskabels und einer Autobatterie. Nichts – wir probieren es lange 20 Minuten. Katze will nicht erwachen. Zum Zweiten leiste ich erste Hilfe. Reinige die Benzinpumpe, Einspritzdüsen, Luftfilter, lade die Batterie und versuche die Zündkerzen zu ziehen. Die Anatomie von Katze erschließt sich mir mehr und mehr, aber es hilft nichts. Auch ein erneuter Startversuch misslingt, auch ein zweites Aspirin, erweckt Katze nicht von den Toten.
Verzweifelt suche ich nach Rat – ich weiß nicht mehr weiter. Was ist nur los mit meiner Freundin? Ein Doktor muss her. Ein Doktor den es in dem kleinen Nest, im Süden von Patagonien, nicht gibt. Das Internet soll helfen und ich beratschlage mich mit qualifizierten Profis in der Heimat, sowie in Chile. Alles soll ich reinigen, einmal mehr, wie schon zuvor. Mehr Informationen bekomme ich nicht, es muss eigentlich alles funktionieren. Ich komme den Ratschlägen nach. Es hilft nicht! Verdammt! Katze kuckt mich nur dumm an und gibt keinen Mucks von sich. Zwei lange Tage vergehen und sämtliche Erste Hilfe versuche scheitern. Ist Katze nun von der Welt gegangen, ist Katze tot?
Ich sitze auf einer kleinen Bank. Endzeitliche Gedanken beschäftigen mich und ich suche nach einer Lösung, nach einer Antwort, nach einem Weg der uns wieder zurück auf die Straße führt. Ein Q-Treiber (BMW-Fahrer) kommt die Straße entlang. Ich frage ihn ob er eventuell eine Idee hat was mit Katze los ist. Ich habe Glück! Der Q-Treiber ist nämlich Mechaniker, Zweiradmechaniker, er ist also Doktor, er ist die Ambulanz die Katze nun braucht. Aber auch die Ambulanz untersucht Katze mit besorgter Miene. Jedes Körperteil wird erneut bis ins letzte Detail kontrolliert, hat der Doktor ja sogar Erfahrung mit vielen Katzen gesammelt. Aber auch der Doktor ist ratlos. Am Ende wird aus dem Aspirin Antibiotika. Die geballte Energie aus einer frischen Autobatterie. Und Doktor gibt nicht auf. Er hat ein Idee, trennt die Benzinleitung zur Einspritzanlage, bindet den Blutkreislauf zum Herzen ab. Ein komische Vorgehensweise. Aber die Anatomie eines Motorrades ist anders, funktioniert nicht so wie bei Menschen. Es kommt auf die Mischung an. Benzin und Luft. Das Verhältnis muss stimmen und scheinbar hat Katze gerade mehr Benzin im Herzen als Luft.
Unermüdlich, mit Mund zu Mund Beatmung und Herzdruckmassage, versucht Doktor Juan aus Spanien, Katze wieder zu beleben. Er gibt nicht auf! Das erste Geräusch! Nach fast einer dreiviertel Stunde ein leichtes Husten, ein Blubbern, ein erstes Augenzwinkern von Katze. Katze ist noch da. Komm Schon!!! Ein zweites Mal etwas lauter, aber Katze verstummt. Nun Mach Schon!!! Beim dritten Versuch brüllt Katze los aber nur kurz – wie ein Löwe der kurz gähnt, es fehlt die Lebenslust. Doktor Juan ist guter Dinge. Nun noch einmal mit gemeinsamer Kraft. Ich helfe ihm. Katze brüllt erneut los – genau in jenem Moment öffne ich die abgebundene Arterie, denn Spritkreislauf zur Benzinpumpe. Mehr Brüllen! LEBEN! Katze ist wieder da! Endlich! Alle sind glücklich! Doktor Juan, ich, der Mann mit dem Auto und ein kleiner Junge der uns mit großen Augen anschaut.
Es ist schon spät. Katze hat wirklich lange geschlafen. Aber da sie nun schon mal wach ist fahren wir weiter. Ohne Probleme, Katze scheint fit wie nie zuvor. Knapp 100 Kilometer bis zur Fährstation. Hier heißt es warten. Warten bis zum Morgen und auf die Fähre. Eine kleines Wartehäuschen lädt zum nächtigen ein. Wie es der Zufall will, treffe ich einen alten Bekannten. Tommy, ein Weltreisender mit dem Fahrrad, begrüßt mich herzlich. Zum vierten Mal treffe ich Ihn nun schon auf meiner Reise. Es gibt einiges zu erzählen und über die Nacht quälen mich die Gedanken um Katze nicht mehr viel. Katze schläft draußen. Alleine. Es regnet!
Die Fähre ist da! Frohen Mutes will ich Katze starten. Aber Katze ist schon wieder in ihrer Traumwelt gefangen. Das gibts doch nicht! Ist wohl eifersüchtig das Frauchen. Manoman! Das Spiel vom Vortag wiederholt sich. Ich schiebe das Motorrad auf die Fähre und las uns auf der anderen Uferseite absetzen. Juan ist auch mit auf der Fähre. Mit seiner Hilfe, viel Antibiotika und der Benzinpumpentechnik läuft Katze wieder schwergängig an. Mittlerweile hat Katze mehr Überbrückungskabel gesehen, als all meine Motorräder, die ich Zeit meines Lebens besessen hatte. Und die Batterie ist noch nicht mal das Problem! Was ist nur los mit Katze? Wieder fahr ich weiter bis Cochrane. Ich bleibe eine Nacht. Zum Morgen das gleiche Trauerspiel. Antibiotika Nummer sechs steht an. Das Prozedere kenn ich ja langsam.
Ich entschließe mich bis Coyhaique weiter zu fahren. Für Pausen bleibt nur wenig Zeit. Sobald das Herz von Katze abkühlt geht es einfach nicht weiter. Ich will nach Puerto Montt, wo es eine Fachklinik für Großkatzen wie Katze gibt. Es ist alles sonderbar. Der Virus hat sich für mich unauffindlich im Körper von Katze ausgebreitet. „Halte durch! Wir schaffen das schon!“ Nur noch 600 Kilometer. Ich will nach Chaiten und von dort aus mit der Fähre weiter fahren. Aber so leicht macht es mir Katze nicht.
In Coyhaique ist zum Morgen Schluss. Kein Mucks mehr. Alle Tricks und Belebungsversuche sind zwecklos. Katze muss zum Doktor. Ich will die Benzinpumpe prüfen lassen, den Druck auf der Leitung. Irgendwas ist hier doch faul! Vielleicht verstopfen noch kleine Stücke des Benzinfilters das System. Ich frage bei einem Honda Händler (mit denen hatte ich ja schon so gute Erfahrung) nach, ob das benötigte Messgerät dafür vorhanden ist. „Si si“, bekomme ich zu hören und verlasse die Werkstatt.
Zwei Stunden später komme ich zurück und finde Katze völlig nackt wieder. Was ist denn nun passiert? Den Benzindruck zu prüfen dauert gewöhnlich keine zehn Minuten. Der Mechaniker bastelt dafür lieber an anderen Stellen rum. Zieht irgendwelche Stecker und klemmt Kabel ab. „La presión de la bomba esta bien?“, frag ich. Ist der Benzindruck Ok? „No se“, antwortet er. „Ich habe kein Manometer. Ich versuche das System zu verstehen!“. ¿Qué paso? Ich dreh gleich durch! Den Rest habe ich doch schon alles überprüft. Scheinbar ist auf einmal der Seitenständerschalter kaputt, oder die Zündkerzen. „Alles quatsch!“, sag ich, dass hat doch alles noch funktioniert. Als er vorschlägt die Zylinder zu öffnen, um „mal rein zu schauen“ zieh ich die Notbremse. Aus einem Schnupfen wird plötzlich eine Herztransplantation, dass kann einfach nicht sein. Katze ist nicht so krank! Ich will nur noch weg hier.
Hilfe in der Not! Was tun mit 300 Kilogramm Motorrad? Dicke Katze. Noch 400 Kilometer bis zur Fähre. „Komm schon Katze, nur noch einmal anspringen!“ Mittlerweile hab ich mit dem Mechaniker wieder Frieden geschlossen und auch er denkt, dass hier ein Katzenspezialist ran muss. Zeit für drastische Mittel. Wir spritzen Adrenalin, in Form von reinstem Benzin, durch die Drosselkappen. Katze ist sehr durstig. Durstig nach dem Energieschub. Aber es funktioniert. Leidende Geräusche entrinnen dem Motor. Was für eine Qual! Mit vorgewärmten Herzen erwacht Katze danach als wäre nichts gewesen. Das versteh noch einer! Egal – 400 Kilometer. Das wohl schönste Teilstück der Carretrea Austral fahre ich zur Nacht. Neun Stunden sind wir unterwegs. Ohne Pause über Stock und Stein als wäre nichts gewesen. Um vier Uhr Morgens erreichen wir Chaiten und ich stelle Katze direkt neben der Hafenauffahrt zur Fähre ab. Ich bin hundemüde und verkrieche mich in dem kleinen Wartehäuschen neben der Anlegestelle. Katze, nun kannst du schlafen! Böse Katze!
Drei endlose Tage verbringe ich wartend in Chaiten. Die kleine Holzhütte mache ich zu meinem Zuhause und versuche mich mit Büchern und kleinen Wanderungen am Ufer zu beschäftigen. Die Gegend kommt mir komisch vor und sehr ungern will ich Katze hier über Nacht alleine lassen. Aber auch das geht vorbei. Die Fährfahrt gestaltet sich unspektakulär. Neun Stunden sind es bis Puerto Montt, wo mich die Katzenklinikspezialisten abholen sollen. Oder sollten! Angekommen in Puerto Montt wartet natürlich niemand auf mich. Alleine stehen wir da. Und nun? Ein Transalp Fahrer hilft mir weiter. Er führt mehrere Telefongespräche und organisiert schlussendlich einen kleiner 4×4 Pickup, um Katze und mich abzuholen. Die letzten 2,5 Kilometer durch die Stadt schaffen wir nicht mehr alleine. Danach die Ankunft in der Klinik.
Katze – nun wirst du wieder zum Leben finden – hoffentlich!
Das war vor genau zwei Wochen. Eben komme ich aus der Werkstatt. Katze wacht nun wieder leichter auf, aber danach läuft sie nun nicht mehr rund. Was auch immer die Professoren da veranstalten, ich hoffe sie bekommen Katze wieder gesund gepflegt. Die Ursache für das schlechte Startverhalten war wohl wirklich auf einen verdreckten Spritkreislauf zurückzuführen. Nachdem die Pumpe, Schläuche und die Einspritzdüsen nochmal vernünftig, mit Hochdruck, gereinigt wurden, war offensichtlich alles gut! Ist schon erschreckend wie ein 5€ Filter ein ganzes System lahm legen kann. Laut Aussagen der Mechaniker haben mehrere 1190er Fahrer in Chile derzeit Probleme mit der Spritpumpe. Der Sprit sein schuld! Nun ja… Was auch immer!
Nun heißt es weiterhin abwarten…. Wünscht mir Glück.
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Hi Martin,
klasse geschrieben !
Als Mietwagenfahrer hat man es da einfacher, Fahrzeug wird ausgetauscht. Aber in entlegenden Gegenden gehen dabei auch mal 1-2 Reisetage drauf. Wenigstens hatteste Glück, immer noch einen Ort zu erreichen. ;)
Ich drück Dir die Daumen und warte auf gespannt den nächsten Bericht.
Holger
Au weia. Da haste dir aber ein wahrlich störrisches Kätzchen angelacht. :(
Ich drücke die Daumen und trinke darauf, dass Du alsbald ohne weitere Probleme weiterfahren kannst.
Lass dich nicht unter kriegen. Wird schon!
Hey, zunächst alles Gute! Danke für die Berichte, ich will zwar zunächst nur mal rund um die Ostsee, wer weiß jedoch wie hilfreich Deine Erfahrungen sein werden. Na ja, meinen Kürbis hab ich nunmehr fast 10000km eingefahren, trotzdem ist mir die Blinker- Bedienungseinheit abgesoffen. Nach nur 8 Std. Regendauerfahrt. Und sie rostet am Schalldämpfer. Ein Softwareupdate in 12/13 hat deutliche Verbesserungen ergeben, kommste wohl nicht ran.
– Und warum wundert es mich nicht hier Ernie Trölf zu finden? :-) –
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