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Die Sache mit dem Film

KTM colsed

Mal was Technisches! Weihnachtszeit – ich dachte eigentlich, dass dieses Jahr das Fest der Liebe spurlos an mir vorüber zieht. Hier in Argentinien wird bei weitem nicht solch ein großes Trara zum Fest gemacht wie in der Heimat. Aber das Christkind hat mich nicht vergessen und war besonders gnädig zu mir. Pünktlich zum Heiligen Abend hat es mich gleich mit zwei undichten Gabelrohren am Motorrad beglückt. Vielen Dank dafür!

Ein undichtes Rohr wäre schon zu schön gewesen. Aber gleich beide? Welche Großzügigkeit! Seit dem Jahrestag vom Sohn des gelobten Herrn tropft das Gabelöl nun völlig frei und ungeniert in die Bremszangen und die Bremsscheiben. Somit hat die Bremsanlage auch was von der großzügigen Gabe und wer braucht schon die vorderen Bremsen. War ich wohl nicht brav genug in diesem Jahr! Ich bedanke mich also wie es sich gehört mit einem kleinen Gebet für das unerwartete Geschenk. Und wer sich nun fragt wer das Christkind ist der schaut mal hier vorbei.

 

Beten hilft
Beten hilft

 

Aber Schluss mit dem Sarkasmus. Technische Probleme bleiben auf einer Reise wie meiner nicht aus und eine undichte Gabel ist nicht wirklich was Besonderes. Das Fahrwerk meiner Katze hat nun auch schon einiges einstecken müssen. Dabei denke ich an die endlosen Wellbrachstraßen im Norden Chiles, die Fahrt durch die Wüste der Atacama, das Altiplano Boliviens und zuletzt die vielen abgeschiedenen Pfade durch Argentinien. Mehrere Reiseberichte dazu findet ihr hier.

Nun ist das nicht meine erste undichte Gabel am Motorrad und der Übeltäter ist schnell ausgemacht. Die Simmeringe sind durch den vielen Staub und Dreck nicht mehr 100%ig dicht. Dummerweise ist ein Wechsel genau dieser Dichtungsringe kein Kinderspiel und ohne vernünftiges Spezialwerkzeug und einer Werkbank schlichtweg unmöglich. Was also tun?

 

Versiffte Bremsen
Versiffte Bremsen

 

In Deutschland wäre solch eine undichte Gabel Garantiesache. Mein Motorrad ist noch kein halbes Jahr alt, deswegen lag es für mich also nahe zuerst einen offiziellen KTM Händler in Argentinien aufzusuchen. Die Info findet man leicht auf der KTM Homepage. Ein Gabelservice ist eine teure Angelegenheit und wenn es diesen eventuell für Lau gibt fragt man schon mal gerne nach.

Vor Ort sah die ganze Sache dann schon wieder anders aus. Der „offizielle“ KTM Händler entpuppt sich als Honda Profi und unter den bestimmt 200 ausgestellten Motorrädern (sind eigentlich mehr Mopeds) befindet sich nicht eine Orangene. Als mich der Besitzer des Ladens nach dem Baujahr des Motorrades fragt, ist für mich das Gespräch ohnehin schon beendet. Eine 1190er haben die hier noch nie gesehen, kein Wunder, werden diese auch noch nicht in Argentinien vertrieben. Aber nur weil den Argentiniern mein Motorradtyp unbekannt ist, heißt das ja nicht, dass sie keine Gabel reparieren können. Es muss also weniger eine Werkstatt, sondern ein fähiger Mechaniker mit dem richtigen Werkzeug gefunden werden. Ich erkläre mein Problem den mittlerweile fünf Angestellten des Ladens, welche alle das „große“ Motorrad bestaunen. Was zu tun ist wissen sie alle, was es kostet auch – nämlich umgerechnet knapp 300 Euros. Eine Zahl die mich fast vom Hocker haut – selbst Zuhause kommt man da billiger Weg.

 

Argentina - vor dem KTM - Laden
Argentina

 

Weiter im Gespräch. Ich erkundige mich nach einem qualifizierten Mechaniker. Oder wenigstens einer Werkstatt in welcher ich selber schrauben kann. Ob überhaupt die nötigen Ersatzteile zur Verfügung stehen frage ich gar nicht erst. Eines nach dem anderen. Louis – heißt der Mann. Er sei ein von KTM ausgebildeter Mechaniker. Na das hört sich doch vielversprechend an. Nur wo ist Louis? Das ist die große Frage! Hier bei Honda ist er ja nun nicht. Ich erhalte insgesamt drei Adressen die ich abfahren soll. Hmm – gut – was macht man nicht alles.

Mittagszeit in Mendoza. Die Sonne brennt mit 38° gnadenlos herunter und im Straßenverkehr schmelze ich regelrecht dahin. Fast drei Stunden bin ich beschäftigt die Wegpunkte abzufahren. Eine Werkstatt, einen Louis finde ich aber nicht. Absolut aussichtslos. Wobei die letzte der drei Adressen vielversprechend aussah. Groß prangert ein KTM Schild über dem Laden. Einem Geschäft das absolut tot ist, keine Menschenseele, nichts. Nur leerer Raum. An der Tür hängt ein Schild mit dem Hinweis auf die Adresse der Hauptfiliale – jetzt kommt’s – dem Honda Händler…

Ich muss erstmal lachen!

 

 

KTM colsed
KTM closed

 

Auf dem Weg zurück sehe ich zufällig einen Mann im kompletten KTM Outfit. Louis? Ich halte sofort an und komme mit dem Mann ins Gespräch. Er ist weder Louis, Händler oder Mechaniker von KTM. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit einer kleinen „Boutique“ für Offroadklamotten. Das ist alles! Na wenigstens funktioniert der Merchandise hier in Argentinien ja prächtig. Er klärt mich auf. Die KTM Situation ist mehr als undurchsichtig in Mendoza. Scheinbar reichen sich die Händler die Lizenz für den Vertrieb hin und her. Deswegen kann auch er mir nicht sagen, wo ich die Lösung meines Problems finde. Auch er verweist einmal mehr auf den Honda Händler. Nein nein – das hatte ich schon! Zum Abschied fragt er mich ob ich ein KTM T-Shirt kaufen will.

„Nein danke!“, antworte ich. Wir lachen beide! Ist aber auch lustig heute!

 

Thumbs up
Thumbs up

 

Ich dreh mich also im Kreis und es muss eine Lösung gefunden werden, schließlich liegen noch 5000 Kilometer vor mir. Ich will nach Patagonien und zwar mit einer trockenen Gabel. Mit etwas Glück lässt sich ein verdreckter Simmering mit einer Fühlerlehre reinigen. Leider hab ich nicht die richtige Größe im Bordwerkzeug und ich begebe mich auf die Suche nach den „galga de espesores“. Es ist einmal mehr aussichtslos! Am Ende lande ich wieder beim Honda Händler, welcher das nötige Werkzeug auch nicht verkauft. Dafür hat er Gabelöl – von Honda natürlich. Davon lasse ich mir eine kleine Flasche geben und verabschiede mich.

 

Gabeloel
Gabeloel

 

Selbst ist der Mann! Ich entschließe mich die Sache selber anzugehen. Eine kostenlose Reparatur ist schlichtweg aussichtslos, qualifizierte Mechaniker mit passendem Werkzeug nicht aufzutreiben. Not macht erfinderisch! Zum Glück ist die Analogfotografie noch nicht ganz ausgestorben. Die günstige Filmrolle wird den Dienst tun. Ich schneide ein Stück ab und schiebe es zwischen das Gabelrohr und den Simmering, fahre damit dreimal im Kreis – fertig! Mit einem Lappen reinige ich die Gabeln, Staubschützer und Bremsen. Den Ölverlust gleiche ich zum Schluss etwas mit einer Spritze über die Gabelentlüftung aus.

 

Hier die Wartungskosten:

  • Gabelöl = 8€
  • Filmrolle = 3€
  • Spritze = 0,20€

 

Arbeitsaufwand 30 Minuten. Und siehe da – beide Gabeln sind wieder trocken. Eine kleine Testrunde durch die Bergwelt nahe Mendozas stimmt mich äußerst zuversichtlich auf den bevorstehenden Aufbruch nach Patagonien.

 

Filmsache
Filmsache

 

Und was hab ich nun gelernt! Traummotorrad hin oder her – hier auf Reise bin ich am Ende schlichtweg auf mich gestellt. Also gilt es für mich mehr selber zu schrauben und das Motorrad besser kennen zu lernen. Denn kaputt gehen kann so ziemlich alles – und sicherlich befinde ich mich bei zukünftigen Ausfällen nicht immer nahe einer Millionenstadt. Was, wie hier beschrieben, ja auch nicht unbedingt ein Vorteil ist.

Wünscht mir Gute Fahrt!

Tschau

Ein Kommentar on Die Sache mit dem Film

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