Dieser Artikel steht sicherlich schon seit fast zwei Jahren auf meiner ToDo-Liste. Ein schweres Gewitter zieht gerade über die hohen Berge Kolumbiens. Wie es sich für ein südamerikanisches Land gehört funktioniert bei diesem Wetter einfach nichts mehr. Chaos in den Strassen, kein Licht, kein Internet – alles tot. Für gewöhnlich bleibt das auch so, bis die liebe Sonne sich eben wieder zeigen will. Nun hatte ich aber doch noch soviel vor – im lieben Internet – und nun das! Totalausfall – welch Katastrophe… Was mach ich nun nur mit diesem Abend? Ohne Internet gibt es hier doch einfach nichts zu tun. Ich bin frustriert und schaue im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre.
Das ist natürlich sehr übertrieben geschrieben. Ich weiß nur zu gut mein Leben auf Reise auch ohne digitales Netz zu nutzen. Dennoch – das liebe Internet hat unsere Welt verändert – außer Frage. Berufs- und Alltagsleben sind nicht mehr wie zuvor. Jahrgang 1979 ist mir durchaus noch eine Welt ohne das Internet bekannt. Meine komplette Jugend fand noch ohne Handy, Email, Facebook, Youtube, Twitter, WhatsApp, und was es da sonst noch alles gibt, statt. Unwissend von dem, was da auf uns Menschen zukommt, war das Leben so wie es war wirklich sehr OK. So ganz ohne InterNetz eben.
Das Internet verändert auch das Leben von Reisenden. Aufmerksamen Lesern von Freiheitenwelt ist bekannt, dass dies nun meine zweite Reise in Südamerika ist. Vor vielen Jahren hatte ich diesen wunderschönen Kontinent schon einmal, bewaffnet mit meinem Rucksack, erkundet, ganze sieben Monate lang. Damals hatte ich gerade einmal ein digitales Gerät mit dabei. Das war meine kleine Exilim Kamera von Casio. Wenn ich mir das einmal überlege, was ich derzeit alles mit mir durch die Gegend schleife ist das fast schon verrückt. Rein reisetechnisch hatte ich zu jener Zeit nämlich absolut überhaupt nichts vermisst. Facebook, Skype und Co. waren erst auf dem Vormarsch in den USA. Um mit der Familie etwas Kontakt zu halten hatte ich mich noch verschiedener Prepaidkarten und den Telefonen an den Straßenecken bedient. Jene sind ja mittlerweile schon ausgestorben. Und der Rest, all die anderen Menschen? Freunde und Bekannte? Tja – die waren mir schlichtweg schnurzegal, um ehrlich zu sein. Jene so verstrauten Menschen waren ohnehin nicht verfügbar und stattdessen hatte ich mich um die Menschen in meiner Nähe gekümmert. Neue Bekanntschaften machen eine Reise ja auch schließlich irgendwie aus, zumindest zu einem Teil. Kaum in einem Hostel angekommen hatte es meist nur wenige Minuten gedauert, bis sich erste Kontakte aufgebaut hatten. Auch mit Einheimischen kam ich immer schnell in Kontakt. Langweilig wurde es wirklich nie und somit war auch das soziale Leben auf Reise immer gesichert. Ist ja schließlich wichtig – wer will auch schon gerne lange alleine sein. Soviel zur Geschichte:
Und so stehe ich also mit meinem Motorrad vor einer der wunderschönen Lagunen im Altiplano Boliviens. Hunderte knallroter Flamingos erfreuen sich ihres Daseins und suchen vor einer bunten und atemberaubenden Landschaftskulisse ihr Futter. Im flachen Wasser der Lagune gibt es davon reichlich. Fast eine Woche hatte es mich gekostet mit meinem Motorrad bis zu diesem Punkt zu kommen. Völlig abgeschieden hatte ich für Tage niemanden zu Gesicht bekommen und war auch sonst von der Außenwelt ziemlich abgetrennt. Somit stehe ich auch vor dieser Lagune wieder alleine, keine Leute, niemand da! Ich laufe etwas umher und entdecke jenes Schild mit der großen WiFi Aufschrift. All die Tage hier draußen hatte ich keinen Gedanken an das Internet verschwendet. Ich stehe vor dem Schild und kann nichts damit anfangen. Und nein – ich habe nicht sofort mein Mobiltelefon gezückt, um zu sehen ob das vielleicht auch einfach nur ein Scherz sein soll. Auch habe ich keinen Selfie aufgenommen um jenen direkt zu teilen. Keinen Gedanken daran – ehrlich! Dennoch zeigt mir der Hinweis doch deutlich wie die Welt eben nicht mehr nur real – sondern auch virtuell existiert. Deutlicher als vor diesem Schild ist mir das noch nie vor Augen geführt worden..
Klar jeder hat eine andere Philosophie vom Reisen. Reisen ist leichter und sicherer geworden. An wichtigen Informationen mangelt es keinesfalls. Sicherlich begeben sich weit mehr Menschen auf Reisen als noch Jahre zuvor. Das Internet bringt eben auch jene gewisse Sicherheit mit und so wirklich „Ab vom Schuss“ muss man sich dieser Tage nicht wirklich fühlen. Dennoch, meine lieben Reisekollegen, die große Freiheit auf Reisen kommt auch mit einer gewissen Unabhängigkeit daher. Im Gegensatz zu früher haben wir nun allerdings die Wahl in wie weit wir jene auskosten wollen. Für mich erscheint es schon ziemlich lächerlich, wenn man sich teilweise selber zum Sklaven des Internets und speziell den sozialen Medien macht. Manchmal komme ich dieser Tage in ein Hostel oder in ein nettes Haus via Couchsurfing und blicke immer mehr auf die Rückseite irgendwelcher Smartphones oder Computer als in nette Gesichter die etwas zu erzählen hätten. Es kommt mittlerweile fast schon einem Akt der Unverschämtheit gleich, wenn man andere Reisende anspricht, um jede kennenzulernen oder einfach etwas Gesellschaft haben will. Wir verschwenden mittlerweile immens viel Zeit damit mit Menschen zu kommuniziere, welche wir im realen Leben vielleicht nie oder einfach nur selten sehen. Wer sich für dieses Thema interessiert dem empfehle ich einmal das Buch „Bluff! Die Fälschung der Welt“ von Manfred Lütz.
Wer kennt eigentlich noch Peter Lustig*? Am Ende seiner Sendungen Löwenzahn im Fernsehen kam immer die Ansage. „Abschalten … dort unten“. Peter wollte damit immer darauf hinweisen, dass das Leben abseits vom TV stattfindet. Das Leben will mit uns spielen und der Flimmerkasten muss auch mal ruhen. Um den Gedanken in unsere Zeit zu tragen (So lange ist das eigentlich gar noch nicht her) denke ich spielt es keine Rolle ob das nun der Fernseher, das Smartphone, Computer oder Tablet ist. Abschalten muss sein.
Wer es mitbekommen hat beschäftige ich mich derzeit auch wieder intensiver mit neuen Medien. SnapChat zum Beispiel. Das wohl verrückteste Netzwerk derzeit. Das kostet Zeit. Die Frage ist nun wieviel der lieben Zeit man dem Ganzen schenkt, und in wie weit es Teil des „normalen“ Leben im 21 Jahrhundert ist? Ich persönlich habe mir im Laufe der Reise hierfür eine ganz eigene Strategie aufgebaut. Ich liebe die Freiheit auf Wanderungen, Schlenderungen durch die Städte oder eine Zusammenkunft mit neuen Reisebekanntschaften. Dabei verlasse ich das „Haus“ immer ganz ohne Handy oder Computer. Es gibt eben Zeiten für Offline und Online. Eine einigermaßen strikte Trennung dessen hilft mir im Datenchaos nicht völlig verloren zu gehen und noch den wahren Ursprung einer abenteuerlichen Reise Leben zu können. Deswegen hätte mich nahe der Lagune in Bolivien auch die schnellste Internetverbindung schlichtweg absolut 0 interessiert.
Manchmal ertappe ich mich aber auch selber auf der Suche nach dem lieben WiFi, um noch die ein oder andere, meiste eher unwichtige Sache, zu erledigen. Früher war Wasser eigentlich immer das wichtigste auf meinen Abenteuerreisen. Das ist es noch immer – aber irgendwie verdrängt man das essenziell wichtige wohl, um auch in der digitalen Welt im „Leben“ mitspielen zu können.
Und damit will ich es auch schon belassen. Vielleicht ist es ja für den ein oder anderen eine Anregung einmal darüber nachzudenken, wie viel Zeit man eigentlich vor den Flimmerkisten verbringt, und wieviel dieser Zeit wirklich wichtig oder einfach nur verlorenen Lebenszeit ist…
In diesem Sinne – Ich wünsche euch was! Bei mir geht es heute in die Wüste und bin somit auch erstmal wieder etwas Offline… Die Sterne grüßen mich.
[Nörgelmodus Aus]Martin
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Sehr schön geschrieben. Ich klinke mich auch bewusst oft aus, das Android bleibt im Rucksack. Aber wir sind ein Teil des globalen Netzes geworden. In Nepal war ich sechs Tage ausserhalb des Netzes, die 200 Mails waren danach schnell erledigt – bei Facebook hatte ich einfach eine lange Pause, ich habe bestimmt nichts Wichtiges verpasst.
Sehr schön geschrieben, mit dem Gedanken setze ich mich momentan auch viel auseinander. Gerade hier auf Kalymnos ist es brutal – WiFi gibts selbst am Strand und ständig hört man beim Klettern: „Hast du schon ein Foto von mir gemacht?“, „Ja, bleib mal so, ich mach n Foto!!“. Es wird wild gepost und während des Sonnenuntergangs schwirrt die surrende Drohne über einem. Es ist schade, Urlaub (ich spreche nicht von „Reisen“, wie du sie unternimmst) sollte ohne Selbstdarstellung auskommen, eigentlich einfach ganz ohne Internet. Geht wohl aber nicht (ich tippe diese Zeilen schließlich auch von Kalymnos…). Auf jeden Fall ein Thema, über das man noch etwas Nachdenken sollte. Danke für den Artikel!
Liebe Grüße
Erika
von ulligunde.com
Danke Erika – viel Spaß im Urlaub. ;-)