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29 Jahre blind – Jesus aus Mexiko

Blinder Mann Mexiko
Blinder Mann Mexiko
Blinder Mann in Mexiko, Markt

Gut das sich manche Dinge in ganz Lateinamerika kaum ändern. Ich hatte schon früh auf meiner Reise gelernt, dass es die günstigsten und meist auch besten Speisen immer in den großen Märkten gibt. Mexiko macht hier keine Ausnahme. Und so war ich gestern zum Morgen gleich wieder mitten drin im Geschehen, als ich durch die engen Gänge des „Mercado de Progreso“ schlenderte. Das Essen war bestens. Meist nutze ich die Zeit nach der Mahlzeit, um die Atmosphäre auf mich wirken zu lassen. Die Tische waren teilweise gut besetzt, die Menschen in guter Laune und neben all dem konnte ich die verschiedensten, leckeren Gerüche von den kleinen Kochständen aufnehmen. Wie ich so im Gedanken dasitze fällt meine Aufmerksamkeit auf einen Herren, der im Gegensatz zu allen anderen Menschen, sehr langsam und mit einem Gehstock durch die Gänge lief. Ab und an klopfte er auf die Stühle und Tische, um seinen unbekannten Weg zu suchen. Er war offensichtlich blind. Ein großes Schild hing um seinen Hals, in der linken Hand hielt er einen Becher und am rechten Fuss trug er eine große Binde, welche eine ziemlich große Wunde abdeckte. „Soy Ciego – gracias por tu bendita caridad!“ (Ich bin blind – danke für deine kleine Spende!), war auf dem Schild geschrieben.

Der Mann kam auch zu meinem Tisch, stolperte fast dagegen und stand irgendwann direkt vor mir. Da er mich nicht sehen konnte, sein blinde Augen waren immer nach oben gerichtet, wünschte ich ihm einen guten Morgen und fragte ob es ihn gut gehe. Er bat mich um eine Spende und ich kam seinem Wunsch nach indem ich eine Münze in seinen Becher warf. Danach bedanke er sich und lief weiter sehr umkoordiniert durch die Gänge. Meine Blicke folgten weiter seinem Weg und irgendwie hatte mich sein ganzes Auftreten sehr gefesselt. Es war als wäre er irgendwie fremd an diesem Ort – auf der anderen Seite sieht man so etwas schon öfters in den hiesigen Straßen. Manche Menschen entgegnetem ihm mit Ignoranz, andere gaben eine kleine Spende oder hielten ein kurzes Gespräch mit ihm. Nach den kurzen Momenten war es aber so, als würde er immer wieder von vorne anfangen seine Kreise durch die Halle zu ziehen.

Erst nach vielleicht 15 Minuten kam in mir der Wunsch auf diesen Herren noch besser kennenlernen zu wollen. Ein jeder Mensch hat eine Geschichte und mich hatte es interessiert wie es zu all dem hier gekommen war. Somit holte ich meine Kamera aus dem Motorrad und ging direkt auf ihn zu… Das Gespräch verlief dann ungefähr folgendermaßen…

Ich: Hallo – ich bin es noch einmal!
Herr: Hallo – ich hoffe Sie haben einen schönen Tag.
Ich: Danke – ich hatte ein gutes Frühstück.
Herr: Ich noch nicht – ein paar Münzen fehlen mir noch.
Ich: Kann ich Sie etwas fragen?
Herr: Aber natürlich…
Ich: Seit wann haben Sie das Licht ihrer Augen verloren?
Herr: Das ist vor 29 Jahren bei einem Umfall passiert. Ich war von einem Tag auf den anderen blind!

Ich: Das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen wie ein Leben im dunkeln sein kann.
Herr: Ich kann es mir sehr gut vorstellen (Er lacht kurz).
Ich: Und seitdem sind sie hier im Markt mit den Schildern unterwegs?
Herr: Nein – das mache ich seit 12 Jahren. Meine Familie bringt mich jeden Morgen um 9 Uhr zum Markt und holt mich wieder um 13 Uhr ab. Ich habe auch eine Genehmigung dafür. (Er zieht ein weiteres Schild hervor, welches seine Blindheit bestätigt).
Ich: Ok ich verstehe – Und die Ärzte konnten damals wirklich nichts machen?
Herr: Ich glaube nicht… Gott wollte es eben so. Wäre schön einen Hund zu haben der mir hilft. Meine Füße tragen mich nicht mehr wie früher.
Ich: Das kann ich mir gut vorstellen – so ein Hündchen könnte ihnen viel helfen. Wie alt sind Sie denn wenn ich fragen darf?
Herr: Ich bin 59 Jahre alt und müde, aber ohne Geld kein Essen – so ist das Leben. Ich heiße Jesus.
Ich: Oh Entschuldigung – mein Name ist Martin. Ich bin aus Deutschland und Fotograf. Dürfte ich dich hier fotografieren?
Jesus: Danke – sicherlich! Zeige deiner Familie mein Leben…

(Wir machen ein paar Fotografien und er fragte mich immer wie es denn geworden ist!)

Ich: Jesus – ich kann kann dir die Bilder zwar jetzt nicht zeigen, aber ich sie haben viel Kraft und du strahlst eine starke Persönlichkeit aus. Deine Augen sind wirklich sehr groß und hell. Vielen Dank dafür!
Jesus: Wie siehst du denn aus, damit ich mir einen Deutschen vorstellen kann.
Ich: (Muss lachen) – ich bin etwas größer als du, habe blaue Augen und hellere Haut als du. Momentan trage ich eine schwarze Mütze und ein grünes T-shirt. Ich habe auch einen kleinen Bart.
Jesus: Danke – freut mich dich kennengelernt zu haben… (Er dreht sich langsam weg und läuft sehr langsam davon)
Ich: Viel Glück!

 

Tja und so stand ich dann wieder und frage mich, was dieser Moment mit mir nun im Leben des Mannes geändert hat? Sehr wahrscheinlich nicht viel aber für einen kurzen Moment hatte er meine Aufmerksamkeit gehabt und jene wohl auch genossen. Ich gab ihm noch etwas mehr Geld, damit er sich sein Frühstück direkt kaufen konnte. Er hatte nicht einmal danach gefragt. Was bleibt sind am Ende die Fotos und für mich die Erkenntnis, dass nicht jedem bedürftigen Menschen so geholfen wird, wie es man bei uns in der Heimat erwarten würde. „No dinero – no comida!“ – „Kein Geld – kein Essen!“ Diese für ihn selbstverständlichen Worte hatten mich bewegt und gezeigt, dass Jesus hier wirklich täglich im Schleichgang um seine pure Existenz kämpft. Ich sehe eine große Form von Stärke in seinem Tun. Er hatte es sich so sicherlich nicht ausgesucht!

Menschen wie Jesus begegnet man öfters, manche haben es schlechter, anderen geht es ein Stück weit besser. Arme Menschen und Bettler gibt es auch bei uns. Ich bin jedes Mal innerlich gerührt, wenn ich an den Menschen vorbei laufen muss. Ich kann nicht immer geben oder reden. Jesus hatte mich durch seine Art jedoch zum handeln animiert. Auf Reise ist es immer schwierig solche Situationen einzuschätzen und ich habe gelernt, dass es irgendwie kein richtig oder falsch gibt. Nur komplett wegsehen – das sollte man nicht!

 

Blinder Mann Mexiko
Porträt Jesus
Blinder Mann Mexiko
„Gott schenke deine Unterstützung für diesen armen Blinden!“
Blinder Mann Mexiko
Jesus

 

„Immer den Träumen hinterher!“

Euer Martin

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Hallo und einen ersten Gruß aus Mexiko. Nun habe ich es doch wirklich wieder "On the…