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Ein Leben in der Arktis

Skidoounfall

So ein „Leben“ in der Arktis. Wie ist das eigentlich? Bestimmt spannend, aufregend und ganz sicherlich eisig kalt. Das denken wohl viele! Etwas übertrieben wirkt der Titel vielleicht, als würde ich einschlägige Biografien oder spannende, filmreife Lebensgeschichten Preis geben. Nein – so ist es nicht! Eigentlich geht es hier einmal mehr um meine, entschuldigt – unsere,  Arbeit  auf dem Eisplateau Grönlands. Schließlich bin ich ja nicht alleine unterwegs. Alltag sozusagen! Ganze 2 Monate waren wir 2012 wieder im endlosen Eis unterwegs. Eine Arbeit die sicherlich seinesgleichen sucht.

 

Die Herkules beim Entladen

 

Fast wie im Déjà-vu steigt man ins Flugzeug nach Grönland.

 

Nach nunmehr fast 3 Jahren Arbeit im Bereich der Polarforschung ist vieles von der anfänglichen Aufregung verflogen. Der ganzen Packerei, Vorbereitung und schließlich auch Anreise begegne ich mit einer gewissen Lässigkeit. Fast wie im Déjà-vu besteigt man den schlichten, stylish klassisch in militärbeige gehaltenen, Transportflieger der US AirForce.

Gewöhnlich ist doch eigentlich was anderes?

Laut dröhnen vier mächtige Rotoren vor sich hin. Während die Maschine in Richtung Startbahn rollt, packen die ersten Passagiere schon ihre Bücher, IPods, Notebooks und sonst dergleichen aus. Ja der Fortschritt macht auch im entfernten Grönland keinen Halt. Mit voller Kraft erkämpfen sich mehr als 35 Tonnen Fluggewicht den Luftraum. Die ersten Minuten nach dem Start sind ausreichend spannend um einen Blick a

us den kleinen Fenstern zu wagen. Mehr und mehr werden Berge von Gletschern und später von der enormen Fäche des Inlandeises verdrängt. Spätestens nach einer halben Stunde sieht man nur noch ein schleierhaftes Weiß, soweit das Auge reicht.

 

Einsamkeit macht sich breit!

 

Wer sich als Mitreisender mitunter schon mal  langweilt, kann sich wage vorstellen wie sich die Soldaten des Militärs fühlen. Zumindest die Kollegen im Frachtraum erwecken auf dem zweieinhalb Stunden Flug nicht einen Hauch von Kurzweiligkeit. Zu oft, zu lange – scheinen die Gesichter zu sagen. Schließlich fliegen sie diese Strecke fast täglich. Übrigens als Trainingsflüge für die Piloten. Mit ruhiger Stimmung und friedlichem Gemüt geht es dahin, bis weit über den Polarkreis hinaus. Das Ziel, eine kleine Forschungsstation.

„Get ready for landing“, teilt uns der Loadmaster mit. Anschnallen, hinsetzen und abwarten heißt das im Konsens. Mit kleinen Schlägen und tosendem Lärm setzen die drei Metallskier des Flugzeugs auf der Schneepiste auf. Von innen kann man sich nur vorstellen wie der Schnee hinter dem Flugzeug mächtig aufgewirbelt wird. Es schunkelt ziemlich hin und her. Auf und ab, links und rechts bis die Maschine endlich verzögert und sich zum Flugfeld, „Apron“ genannt, bewegt. Wir sind sicher gelandet. Wir sind 12 Wissenschaftler und Techniker auf Polarexpedition. Kaum gelandet geht es auch schon raus aus der alten C-130, und rein in eine andere Welt. Weit abseits der Zivilisation sieht hier doch einiges anders aus.

 

NEEM

 

Die große Eingewöhnung beginnt gleich mit dem ersten Schritt hinaus in die Kälte. Es ist Mai und fast schon Sommer. Dennoch steigen die Temperaturen kaum über die -15° Grenze. Heute, am ersten Tag, hat es frostige -26°. Die Sonne strahlt, kein Wind, kleine Wolken. Wunderbar – so ist es hier oben nämlich am angenehmsten. Vorbei an den laufenden Rotoren setzt man erste Schritte in den weichen Untergrund. Ungewohnt sind die dicken Polarstiefel noch. Eine kleine Gruppe wartet bereits auf uns. Schon zwei Wochen vorher wurden Sie eingeflogen um das Camp in Betrieb zu nehmen. Man trifft so manchen alten Freund und begrüßt sich herzlich. Neuen Gesichtern schenkt man ein nettes Hallo und tauscht sich gerne aus. Zeit zum kennenlernen gibt es ja genug.

 

Ein freundlicher Empfang.

 

Der Weg zum kugelförmigen Dome ist kurz. Die Hauptstraße von Neem hat nicht viel zu bieten. Gekennzeichnet ist sie durch mehrere Flaggen der beteiligten Länder. Allen voran natürlich Dänemark, die Station ist nämlich ein großes Projekt der Universität Kopenhagen. Rechts reihen sich mehrere rote Weatherports für Unterkünfte, Werkstatt und Lagerplätze aneinander. Zur Linken stehen weitere Zelte. Kurz vor dem Dome knattert ein mächtiger Dieselgenerator ununterbrochen vor sich hin. Ohne Energie geht auch hier oben nichts. Am Ende steht dann schon der Dome. Mehr gibt es nicht.

 

Arbeit mit der Schneefräse

 

Das schwarze Hauptgebäude steht dieses Jahr wieder ein ganzes Stück tiefer. Der ständige Schneezutrag in Form von Niederschlag versucht alles still und heimlich versinken zu lassen. Deswegen fährt der Chefmechaniker, Sverir, mit dem Pistenbully durch die Gegend um die Schneemassen zu bewegen. Nach dem Start der Militärmaschine wird er sicherlich bald auch die Landebahn auf Vordermann bringen. Dafür wird er stundenlang seine Kreise drehen. Ist wohl immer viel Arbei. Sein Kollege ist auch schon dabei mit der Schneefräse unmengen des weißen Zeugs von A nach B zu schaffen. Im ständigen Kampf gegen die rauhe Natur in der Arktis scheinen die beiden ziemlich glücklich zu sein. Über eine kleine Treppe geht es hinein in den kugelförmigen Holzpalast. Angekommen steht schon der erste Kaffee und Kuchen bereit. Den genießt man gerne. Oft fühlt es sich so an als würde es nirgendwo besser schmecken.

 

Die ersten Stunden verlaufen meist ruhig. In meinen Fall suche ich mir einen schicken Platz für das Zelt und organisiere meine Habsehlichkeiten im Aufenthaltsraum. Ein paar Bücher, Computer und die Kamera lege ich auf einem kleinen Tisch zurecht. Mehr Platz gibt es nicht. Danach wird ordentlich mit angepackt um die ganzen Lebensmittel und Ausrütungsgegenstände, welche mit dem Flieger gekommen sind, zu verstauen. Gerade bei der enormen Menge von Vorräten ist jede helfende Hand gerne gesehen. Die Köchin, Sarah, gibt lautstark Anweisungen wohin die ganzen Kisten gepackt werden sollen. „That’s for the freezer, downstairs“, „Kitchen“ oder „No! This one ist for the  freeshy skack“, „Thank you!“

Probleme mit dem Skidoo
Probleme mit dem Skidoo

Weiter geht es mit der Expeditionsausrüstung. Im großen Durcheinander wird ein Haufen von Alukisten in Angriff genommen. Bestimmt 4 Tonnen Fracht müssen verteilt werden. Der restliche Nachmittag des ersten Tages vergeht so mit Aufräumarbeiten. Schlussendlich findet aber doch alles seinen Platz und langsam aber sicher kehrt der Camp Alltag zurück. Später fahr ich mit einem Kollegen noch los um einen schönen Platz für unser Forschungsprojekt zu finden. Dafür nehmen wir gerne die Skidoos. Diese sparen körperliche Kraft und machen nebenbei auch noch Spaß zu fahren.

Die Sonne steht schon tief. Über Nacht ist das Camp um 12 Personen gewachsen und beherbergt nun 22 Seelen. Die Übergangszeit, in welcher sich zwei Gruppen aneinander gewöhnen, zieht sich meist etwas hin. Neulinge sind hellauf begeistert. Die „alten Hasen“ sehen alles etwas gelassener, mit einem anderen Blick auf die Dinge. Persönlich genieße ich einmal mehr die Ruhe welche dieser Ort mit sich bringt. Ein kleiner Spaziergang bringt mich schnell vom Camp weg.

Das Panorama ist schlicht. Weiß bis zum Horizont, danach beginnt auch schon der blaue Himmel. Nun auch geschmückt mit ein paar Wölkchen. Ich atme einmal tief die arktische Luft ein, schließe die Augen und strecke die Hände zu Himmel. Kalt fühlt sich die Luft in den Lungen an. Aber auch frisch, rein wie sonst nirgendwo. Ich atme wieder aus und begebe mich in mein Zelt. Ab Morgen beginnt die Arbeit – einmal mehr.

 

Ach – was für ein Welt!

 

Euer Martin

 

Schneewandern

Martin


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