Bolivien lässt mich einfach nicht los. Ich weiß schon gar nicht mehr wann ich im Land eingereist bin. Klar könnte ich im Reisepass nachsehen, aber das tu ich nicht! Ich genieße die Freiheit einfach das zu tun was ich will. Täglich lasse ich denn Tag auf mich zukommen, entscheide meist sehr spontan, welchen Weg ich einschlage. Genau diese Art zu Reisen ermöglicht es mir auch auf zufällige Begegnungen mehr und mehr einzugehen. Eine davon hat mich nun die letzten beiden Wochen ziemlich stark beschäftigt und meine Denkweise, meinen Horizont doch mächtig erweitert.
Der Puppenspieler! Zufällig passiere ich in Copacabana, Bolivien ein Fahrrad mit einem auffällig roten Anhänger. Auf dem Hänger eine Zeichnung, eine Karte von Südamerika. „Wem gehört denn das Fahrrad?“, frage ich. Ein netter Spanier spricht mich an. Die erste Begegnung mit Pablo. Eigentlich wollte ich nur wissen wie es in Venezuela für ihn war. Schon lange konnte ich den Nachrichten nichts mehr positives, über das Land, entlesen. Ich suche also nach Informationen von anderen Reisenden, schließlich steht Venezuela auch auf meiner Reiseliste. Ein kurzes Gespräch, Erfahrungsaustausch. Pablo erzählt mir von seinem eigentlichen Projekt. Er reist nun schon seit 1,5 Jahren mit seinen Marionetten durch Südamerika. Deswegen also der rote Anhänger! Mit den Puppen tritt er in Städten, Kindergärten, Seniorenheimen und ganz spontan auch andernorts auf. Ich bin von Anfang an begeistert von seinem Projekt. Ein Reisender mit einer genialen Idee. Lange Rede, kurzer Sinn. Ich verspreche Pablo, dass ich Ihn noch einmal aufsuchen werde. „Ich überleg mir das was“, gebe ich ihm mit auf den Weg. Wir bleiben also in Kontakt!
Keine zehn Tage später treffe ich ihn in Oruro. Eine kleine Dokumentation will ich über seine Reise durch Bolivien erstellen. Wir besprechen zusammen ein erstes handgezeichnetes Skript. Eine Kurzdoku vielleicht – oder mehr? Er ist begeistert! Da wir ja beide Frei und Ungebunden sind, können wir die Sache langsam auf uns zukommen lassen. Gemeinsam planen wir täglich die Route und folgen einer einsamen Straße nach der anderen, durch das Hinterland des Altiplanos. Mit seinem Fahrrad ist er natürlich deutlich langsamer unterwegs als ich mit meinem Motorrad. Aber wir ergänzen uns gut. Ich sorge für den vollen „Kühlschrank“ und genügend Wasser, während Pablo meist voraus fährt und die Gegend nach möglichen Schauplätzen für seine „Espectáculos“ erkundet. Nebenbei wird auch noch der ein oder anderen Campingplatz ausfindig gemacht. Wir teilen beide die gleiche Begeisterung zum Outdoor Leben. Campen und Kochen im Freien. Es kann einfach nicht besser sein. Pablo erzählt mir von seinen Puppen. Sie haben sein Leben total verändert. Schon seit 20 Jahren sind sie ein Teil von ihm. Für die Reise hat er genau drei Stück mit eingepackt.
- Pegolete – der Jongleur
- Stavizky – der Pianist
- Numa – der Flötenspieler
Es steckt viel Arbeit in den Marionetten. An Stavizky z.B. hat Pablo fast eineinhalb Jahre gebaut und gebastelt. Wer mehr über die drei Lustigen Puppen wissen will kann sich gerne auf der Homepage von Titiribici schlau machen.
Llallagua – der dritte Tag. Wir kommen in einer günstigen Bleibe unter und geben uns dem doch etwas wilden Stadt- und Marktleben hin. So abseits jeglicher Hauptstraßen sind wir 100%ig die einzigen Touristen in der Stadt. Ein guter Ort für ein erstes Spektakel. So denke ich – so denkt auch Pablo! Bei der nächstgelegenen Schule werden wir auch schon bald herzlich empfangen. 600 Kinder warten auf die Vorstellung. Für Pablo ist das nichts Neues. Für mich allerdings schon. Auch wenn ich als Außenstehender nur für Bilder und Videos sorge, werde ich schon bald mit tausenden Fragen von den Kindern überhäuft. Die Kinder sind dermaßen aufgeregt und unruhig, dass schon bald ein kleines Chaos entsteht. Noch bevor die „Show“ beginnt, herrscht also ein buntes Treiben auf dem Schulhof. Die Lehrer versuchen die Meute in den Griff zu bekommen, was Ihnen mehr oder weniger gelingt. Pablo ist geübt im Umgang mit den Kindern und weist sie etwas streng, aber immer mit einer guten Prise Humor, in die richtige Richtung. Er braucht Platz für seine Puppen, für seine Bühne und auch für sich selber, schließlich ist auch er Teil der Aufführung. Tags zuvor hatten wir den Ablauf seiner Aufführung besprochen.
Dann ist es auch schon soweit. Pablo begrüßt die Kinder mit einer einleitenden Geschichte und baut etwas Stimmung auf. Danach folgt auch schon das Pianosolo von Stavizky. Es ist einfach nur toll, wie der Pianist mit seinen Augen spielt. Die Kinder lachen und sind schon bald von der Musik und den Bewegungen der Puppe am Piano gefesselt. Die Marionetten haben ganz unterschiedliche Charaktere und wollen dementsprechend auch aus einer anderen Perspektive abgelichtet werden. Gerade mit dem flinken Numa hab ich so meine Probleme. Der kleine Kobolt ist sowas von fix auf seinen Holzfüßen unterwegs, dass ich meinen Augen kaum glauben kann. Pegolete begeistert durch seine Jonglierkunst. Die drei Früchte wirft er von der Nase, zum Knie und später auf die Fußspitze. Wie auch immer die Mechanik dahinter funktioniert ist mir ein Rätzel. Die Übergänge und Bewegungen sind butterweich und spätestens jetzt hab ich erkannt, welche Kunst hinter dem Marionettenspiel steckt.
Knapp eine Stunde dauert das Programm. Die Kinder lachen, schreien, klatschen – freundliche Gesichter soweit das Auge reicht. Aber alles hat sein Ende. „Wann kommt ihr denn wieder?“, werde ich von einem kleinem Mädchen gefragt. Sie ist im Gedanken noch total bei den Puppen. Ich kann ihr keine Antwort geben. Es wird für die meisten wohl ein einzigartiges Erlebnis bleiben. Pablo und ich sind nun einmal Reisende und somit geht es für uns wieder weiter, zurück auf die Straße. Wir nächtigen wieder im Freien und freuen uns über das Erlebte.
Die Schule war groß. Nicht alle Schulen in Bolivien sind so. Die nächsten Tage fahren wir sprichwörtlich durch die Pampa. Die Landschaft so einsam, wie ich sie die letzten zwei Monate meiner Bolivienreise kennengelernt habe. Kleine Dörfer – kleine Schulen – „nur“ 30 Schüler. Zweimal gibt Pablo noch eine Vorstellung. Es ist anders, ganz anders. Die Kinder sind wesentlich ruhiger, zurückhaltender und ein Lachen ist ihnen schwerer zu entlocken. Aber die drei Marionetten sind Meister der Verzauberung. In einer Traumwelt gefangen blicke ich bald nur in glückliche Kindergesichter. Hier auf dem Dorf ist vieles anders. Bolivien – das „ärmste“ Land Südamerikas. Die Jungen und Mädchen leben deutlich sichtbar in armen Familienverhältnissen. Zum Mittagessen gibt es eine Tasse heiße Schokolade und ein trockenes Brot. Schlechte Schuhe, dreckige Kleidung, von der Sonne verbrannte Gesichter. Aber die Augen strahlen wie sonst nirgendwo. Es fällt mir nur zu leicht – die Kinder ins Herz zu schließen. Die Puppen bringen kein Geld, kein besseres Leben. Nur ein Lachen, Gedanken, Inspirationen die Freude bereiten. Aber nun las ich einfach mal die Bilder sprechen…
Mittlerweile bin ich in Potosi und schreibe diese Zeilen. Pablo „kämpft“ sich mit seinem Fahrrad noch bis hierher durch. Drei weitere Veranstaltungen hat er geplant. Diese werde ich natürlich auch noch begleiten. Seine Art zu Reisen stimmt mich doch sehr nachdenklich. Ich habe eine sehr erlebnisreiche Zeit und danke den Kindern, Marionetten und nicht zuletzt auch Pablo genau dafür. Diese Momente sind es, die eine Reise wie meine so lebenswert macht. Hoffentlich kann ich mit meinen Bildern und Geschichten einiges zurück geben.
Tschau Martin
P.S: Und nicht vergessen mal bei Pablo auf der Homepage vorbei zu schauen!
Willst du keine Neuigkeit auf Freiheitenwelt verpassen oder weitere Insiderinformationen erhalten? Dann abonniere den Newsletter und die Beitragsbenachrichtigung. Du bist nur einen KLICK entfernt.
Freiheitenwelt gibt es auch auf Facebook, Google+, Twitter, YouTube und Instagram.
danke für den eindrucksvollen bericht. ich freu mich auf das video.
pass auf dich auf.