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Tage Teil 1

Eiskern Martin Leonhardt
Eiskern Martin Leonhardt
Eiskern Martin Leonhardt

Eine neue Woche beginnt. Nach dem erlebnisreichen Sonntag geht also wieder das Alltagsleben los. Ich werde mich einmal daran versuchen einen „normalen“ Tagesablauf zu beschreiben.

Mit dem Flugzeug gestern kam ein kleiner Wecker, welcher nun neben meiner Matratze im Zelt liegt. Das Sonnenuhrsystem hat sich leider nicht wirklich bewährt und somit kehrt moderne Technologie in mein kleines Zuhause ein. Um punkt 7 Uhr klingelt das kleine Runde Ding lustig vor sich hin und wirft mich aus dem Schlaf. Ich dreh mich noch einige male hin und her und gewöhne mich wieder an das ständige Licht um mich. Die Klamotten liegen wild um die Matratze verteilt herum. Die Schuhe stehen gut gekühlt in der Ecke und die Polarbrille hängt irgendwo an der Zeltplane. Ich schnappe mir das Zeug und mache mich langsam startklar. Morgens sind die ersten Schritte bis zum Dome immer ein bisschen anstrengend. Wie zu erwarten liegt noch viel Schnee, heute wieder besonders weich und tief.

Bis um 8 wird gefrühstückt. Einen Kaffee, etwas Müsli (schon wieder) und Toast muss reichen. Es herrscht eine ruhige Stimmung im Dome. Andere Mitarbeiter wärmen sich auch langsam für den Tag auf. Seit gestern Abend haben wir einen besonderen Gast. Ein kleiner Vogel wurde wohl bei einem Sturm von der 420km entfernten Küste in das Innlandeis geweht. Auf der Suche nach Schutz hat er die Station angeflogen. Wer hätte sowas erwartet. Ich mache ein paar Bilder wie das putzmuntere Tier zwischen Boden, Fenster und Tisch hin und her springt. Ein kleines imposantes Tierchen. Am Boden steht etwas Wasser und Körner bereit.

Als Elektroniker gibt es momentan nicht viel zu tun weswegen ich der Frühschicht beim Bohren helfe. Zusammen mit Adrian und Trever geht es ab in die Eiskatakomben. Vorher ziehen wir uns draußen noch extra um. Wegen der Bohrflüssigkeit tragen wir noch zusätzliche Arbeitsklamotten. Das Zeugs frisst einfach alles auf. Besonders Plastik oder Synthetik sind ihr Feind. Alles auf pflanzlicher Basis und unschädlich sagt man. Ich schnappe mir die klebrigen Handschuhe, den nassen Overall und die aufgeweichten Stiefel. Angenehm ist etwas anderes.

Unten im Keller wird zuerst kontrolliert was die Nachtschicht für uns übrig gelassen hat. Der Bohrer liegt auf dem Turm bereit und muss noch startklar gemacht werden. Ich helfe Trever beim Einbau des Kernrohrs und anderen mechanischen Bauteilen. Irgendwie will alles nicht wirklich zusammenpassen. Wir stellen fest, dass die Pumpe einen Defekt hat und repariert werden muss. Das dauert. Während ich die Passung zurechtfeile und ausmesse wird ein Ersatzteil besorgt. Eine ganze Stunde sind wir beschäftigt bis alles wieder am richtigen Platz ist. Wir schieben den 11 Meter langen Bohrer zusammen und verriegeln das Kernrohr im Außenmantel.

Der erste Bohrvorgang der Woche startet. Trever steht bereit um die Abdeckung zum fast schon 2km tiefen Loch zu öffnen. Ich fahre den Turm samt Bohrer in eine vertikale Stellung. Danach schreite ich zum Bedienpult, welches in der kleinen Kabine steht. Die Tiefe und Inklination (unwichtig) wird kalibriert und ein neuer Run gestartet. Auf einem kleinen Hocker kann man es sich bequem machen. Hinter dem Pult steht ein kleiner Rechner mit 2 Bildschirmen. Oberhalb des Tisches befindet sich die wilde Bohrelektronik. Eine Kamera hat das Bohrloch fest im Auge. Ich beobachte es während der Bohrer langsam in die Tiefe fährt. Sobald der viele Edelstahl aus dem Bildschirmausschnitt verschwindet kann die Geschwindigkeit erhöht werden. Der Deckel wird geschlossen und das Gerät befindet sich auf der dunklen Reise zum Herzen des Kontinents.

Nach 45 Minuten Abfahrt wird der Bohrer 2 Meter vor Ende angehalten. Der Bildschirm gibt Auskunft über alle wichtigen Informationen. Ich starte den Bohrvorgang (siehe Artikel „Volle Kontrolle“) und freue mich eine Stunde später über ein schönes 3,51 Meter Stück Eiskern. Es liegt vor mir und birgt Informationen aus einer Zeit vor 20000 Jahren.

Es ist 11 Uhr.

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