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Wenns mal nicht so läuft

Tankheber
Martin mit dem Tank der KTM in der Hand
Martin mit dem Tank der KTM in der Hand

Argentinien – fast zwei Monate bin ich nun in dem riesigen Land unterwegs. Ich weiß nicht wirklich, was ich davon halten soll. Hier liegen die toten Kühe auf dem Asphalt, die Straßen haben keine Namen, die Tankstellen sind immer überfüllt und der argentinische Peso befindet sich im freien Fall. Der patagonische Westwind fegt mich fast von der Straße, begleitet von ständigem Aprilwetter. Regen, Schnee oder Sonnenschein. Argentinien kann sich nicht entscheiden. Abgesehen davon, dem Leben auf der Straße, häufen sich Tag für Tag die schönsten Reiseerlebnisse. Die Menschen sind super nett und freundlich, die Landschaften einfach nur wunderbar. Mittlerweile könnte ich sicherlich eine ganze Woche über meine Erfahrungen berichten. Besonders über den Norden des Landes habe ich bis dato noch kein einziges Wort verloren. Vielleicht komme ich auch noch dazu. Aus aktuellem Anlass aber vorerst was anderes. Ein kleiner Text zu meiner letzten und bis dato größten Motorradpanne. Diese gehören nämlich auch dazu und liegen in der Natur einer Motorradweltreise.

Rückblickend auf die letzten beiden Tage, fühle ich mich irgendwie in der Tatsache bestätigt, dass es hier in Argentinien einfach nicht so laufen soll wie gewünscht. Mittlerweile sind wir, das Motorrad und ich, schon ein ziemlich gutes Team geworden. Ohne Murren schnurrte meine Reisekatze bis dato immer fröhlich vor sich hin. Was soll sie sich auch beklagen? Wird sie doch von mir artgerecht gehalten, ordentlich im Dreck und auf endlos schlechten Straßen bewegt und bekommt ihr Futter immer rechtzeitig. Vor zwei Tagen noch hatten wir ein schickes Nachtlager, inmitten einer Blumenwiese, gefunden. Irgendwo im Nirgendwo, dutzende Kilometer entfernt von der nächsten Stadt. Nur der Regen zum Abend, ja der war nervig, aber auch das gehört dazu.

 

Blumenwiese und Zelt
Blumenwiese und Zelt

 

Nach der verregneten Nacht steigt es sich etwas mühselig aus dem Schlafsack. Alles ist feucht und nass. Ich warte auf die ersten Sonnenstrahlen, bevor die übliche Morgenprozedur folgt. Schlafsack trocknen, frühstücken, packen, Zähne putzen und die Motorradklamotten überwerfen. Das Wetter verspricht einen schönen Tag. Frohen Mutes drück ich also den Startknopf der 1190er. Dieser tut was er soll, nur der Rest vom Motorrad weiß noch nicht, dass die Nacht vorüber ist. Gut – die letzten Tage hatte ich öfters kleine Probleme beim Starten. „Die kommt schon noch“, denk ich mir. Dutzende Male versuche ich die Maschine zu starten. „Die Batteriespannung ist doch OK!“ Trotzdem – nichts! Schlussendlich ist klar: „Nein – das muss was anderes sein!“ Für einen sicheren Stand schiebe ich das gute Stück zuerst auf den unweit entfernten Feldweg zurück.

Eins nach dem anderen: Ich ziehe den Benzinschlauch zur Einspritzanlage ab und erwarte einen kleinen Benzinrücklauf. „Hmmm – da kommt aber nicht viel“! Kann es das schon sein? Kein Benzin für den Motor? Ich denke an die ein oder andere ruckelige Fahrten der letzten Tage und gebe logischerweise dem schlechten Sprit die Schuld. Nun gut – dann muss wohl die Benzinpumpe ausgebaut werden, was eine Zeitlang in Anspruch nimmt. Die genaue Prozedur des Ausbaus will ich hier nicht beschreiben. (Reparaturanleitung KTM 1190 Adventure R – Seite 69). Schlussendlich liegt nach knapp eineinhalb Stunden die Pumpe samt Benzinfilter vor mir. Ich wundere mich über komische braune „Klumpen“ vor der Öffnung zum Ansaugstutzen. Nebenbei schüttelt sich der Filter wie ein Überraschungsei. Es klickert und klappert – „Da ist doch was drin!“ Irgendwann fallen zwei braune Teilchen aus dem Filter. „Das ist ja was ganz was neues!“

Ich hatte ja schon so einige verrückte Pannen mit Motorrädern. Aber ein defekter, wohlgemerkt „defekter“ nicht verdreckter, Benzinfilter ist schon mehr als sonderbar. Scheinbar hatte nicht dreckiges Benzin, sondern winzige Teile des Filters die Benzinpumpe verstopft. Bevor jene wieder ihren Platz im ominösen Tank findet, erfährt die filigrane Konstruktion noch eine Komplettreinigung. Auch der Benzinfilter wird nochmal ordentlich durchgepustet.

Während ich so am hantieren bin kommen zwei argentinische Caballeros vorbei. Hoch zu Ross schauen sie zu mir herunter und wundern sich offensichtlich über mein Tun. Ich blicke sie an – sie blicken zurück. Kein „Hola!“ oder „Que tal?“ Sie reiten weiter. Ok – all zu interessant schein ich dann doch nicht zu sein. Wieder alleine, wuchte ich den schweren Tank auf das Motorrad und bastle alles zurecht, für den nächsten Startversucht. Vier Stunden sind schon vergangen. „Das Ding muss doch nun tun!“

 

Benzinfilter defekt
Benzinfilter defekt

 

Nein muss es nicht! Beim betätigen des Starknopfes läuft die Benzinpumpe kurz an. Neben dem gewohnten Klackern des Startermotors passiert aber nichts. Hmm – das gibt es doch nicht. Ich probiere noch vielleicht fünfmal die Kiste anzuschmeißen – nichts! „Irgendwie fehlt hier die Power!“ Ein Blick auf die Spannungsanzeige verrät mir was nun los ist. 11,6 Volt. Die Batterie ist plötzlich zu schwach. Verdammt! Die vergeblichen Startversuche zum Morgen waren wohl zu viel für das gute Stück. Wie es der Zufall will, befinde ich mich knapp 500 Meter entfernt von der nächsten Hauptstraße. Der Weg bis dahin führt nicht sonderlich steil, aber stetig den Berg hinauf. Wunderbar – dann heißt es wohl schieben. Sind ja nur 230 Kilogramm!

Aber langsam! Bevor es weiter im Programm geht gönne ich mir eine Mittagspause. Gut Ding will Weile haben und ein leerer Magen ist nicht gut für die Psyche. Gut gestärkt schiebt sich die Katze auch ein ganzes Stück leichter.

Angekommen an der Hauptstraße: Mehr als zehn Fahrzeuge halte ich vergeblich an, keiner hat ein Überbrückungskabel parat. Zum späten Nachmittag erfreut mich ein junger Argentinier, Daniel, mit seiner Gesellschaft. „Si – tengo todo lo que quieras“. Perfekt! Mit genügend Energie dreht sich der Starter kraftvoll. Ich höre wie die Benzinpumpe im ersten Moment trocken durchläuft. Danach blubbert es marginal aus dem Endschaldämpfer. So richtig will sie noch nicht – abwarten! Der zweite Versuch ist auch vergeblich. Noch mehr warten! Aller guten Dinge sind es bekanntlich ja drei. Blubbernd und holpernd erwacht die Katze zum Leben und brüllt gleich los wie ein mächtiger Löwe. „Gott sei dank!“, denke ich mir, lege die Hände zusammen und bete zum Himmel. Daniel ist sichtlich amüsiert von meiner Geste und freut sich mir erfolgreich geholfen zu haben.

 

WolkenR40
Wolken Routa 40

 

Endlich geht es wieder weiter, entlang der Routa 40, führt die Fahrt dem weiten Horizont entgegen. Der Himmel ist zum Abend mit tollen Wolken behangen. Wieder findet sich etwas abseits der Route ein schönes Nachtlager. Die Stimmung ist wieder gut. Scheinbar! Es gibt für mich noch eine Zugabe. Bei der Demontage der Benzinpumpe ist wohl mehr Benzin aus dem Tank entflossen als ich gedacht hatte. Mit allen Reserven reicht das Benzin für vielleicht 160 Kilometer, maximal. Das GPS zeigt mir aber 180 Kilometer bis zur nächsten Tanke an. Das wird knapp!
Aber vorerst egal – vorerst Ruhe – vorerst schlafen!

Im Gegensatz zum Tag zuvor, weiß ich zum Morgen auf was ich mich einzustellen habe. Zu wenig Sprit im Tank! Sparsam fahren ist angesagt. Nach der Standardprozedur knattert Katze auf den ersten Drücker los. Geht doch! Geschmeidig am Gas versuche ich die fehlenden 20 Kilometer an Reichweite gut zu machen. Guter Rückenwind hilft mir dabei und ich bin guter Dinge, dass ich heut nicht auch noch schieben muss. Rio Mayo ist das Ziel. Ein kleines Städtchen auf dem Weg in den Süden Patagoniens.

 

Megatron
Megatron

 

Mittlerweile sind schon beide Ersatzkanister entleert und somit alle Reserven aufgebraucht. Dann, 3,8 Kilometer vor der Stadt, bleibt das Motorrad stehen. Genau an einem Monument, erbaut aus Eisen und Stahl. Es sieht aus als wäre es einem der Transformers Filme entflohen. „Bienvenidos a Rio Mayo“, steht dort geschrieben. Megatron persönlich blickt mich an als wolle er mir sagen: „Hier ist Schluss für dich, keiner kommt hier durch!“ Na ja – die liebe Phantasie. Lassen wir diese einmal beiseite. Nur noch wenige Kilometer bis zur nächsten Tankstelle. „Das darf doch nun nicht wahr sein!“ Das schiebt sich ganz schön lange.

Dann die Idee! Ich schlage Megaton ein Schnippchen und zaubere meinen kleinen Benzinkocher hervor. Vielleicht 200 Milliliter der begehrten Flüssigkeit gibt dieser noch her. Das könnte gerade noch reichen. Trotzdem lasse ich das Motorrad jeden abfallenden Hang hinunter rollen. Alles nur nicht schieben! Kurz darauf halte ich bei der ersten Tankstelle. Puh – Glück gehabt! Hoffentlich bleibt das nun auch so.

„Einmal Volltanken bitte!“, gebe ich dem Tankwart zu verstehen. Er befüllt den großen Tank mit mehr Benzin als jemals zuvor auf meiner Reise.

 

Rio Mayo halo
Rio Mayo – Sprit aus dem Benzinkocher

 

So – das waren sie also, meine letzten beiden Tage. Gerade jetzt sitze ich in einer Tankstelle und tippe diese Zeilen. Draußen steht die KTM und hält ein Mittags-Nickerchen.

Hoffentlich wacht sie auch wieder auf…

 

10 Kommentare on Wenns mal nicht so läuft

  1. Hi Martin,
    du hast einen Spannungsmesser aber kein Überbrückungskabel dabei? Bei mir sieht es immer umgekehrt aus.
    Großartiger Artikel, macht Spass zu lesen.
    Weiterhin gute Reise!
    Claudio

    • Moin Claudio,

      nö – einen Spannungsmesser hab ich nicht dabei. Für solche Fälle mit der Batterie hab ich ja eigentlich diesen Solarakku vorgesehen. Leider ist der genau vor einer Woche baden gegangen…. Eins kommt halt zum anderen. ;-)

  2. hey Martin! Klingt ja spannend bei dir! Toll geschrieben. So wie sich es anhoert sind deine Ausgaben fuer Uebernachtungen auch recht gut uebersehbar wie ?!:)

    Gruesse aus Posadas, fuer uns geht es Morgen nach Paraguay in Affenhitze!! Carina und Demian

    • Hi Carina,

      schön von euch zu hören. Hatte gestern schon gedacht euch vorüber fahren zu sehen. Da hatte einen rote KLR meinen Weg gekreuzt. Ja – ich verbringe eigentlich alle Nächte im Zelt.
      Für mich gehts die nächsten Tage wieder rüber nach Chile… Paraguay lässt noch 1-2 Monate auf sich warten.

      Wünsch euch was.

      Martin

  3. Ich finde das beeindruckend mit welcher Ruhe und Gelassenheit du mit dieser Situation umgehst. Mein Respekt hast du auf jedem Fall.
    Weiterhin dir eine gute Unfall-und Pannenfreie Weiterfahrt.

  4. Das war ein spannender Blog-Eintrag! Man konnte regelrecht mitfiebern bis zur Tankstelle und ob Du diese ohne große Schieberei erreichst. Wenn ich mir das schon alleine vorstelle, ein vollgepacktes Motorrad schieben zu müssen…

    Ich hoffe, die Benzinpumpe verrichtet nun anstandslos ihren Dienst. Weiterhin gute Reise!

  5. Hallo Martin ,
    wie ist denn jetzt der Stand der Schwierigkeiten? Ist das Problem inzwischen dingfest gemacht oder gar gelöst?
    Wünsche Dir wieder sorgloseres Fahren
    herzlichen Gruß
    Thomas

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