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Ein Jahr auf Weltreise

Laguna Ruta

Arbol de Piedra Moto

Vor genau einem Jahr, am 10ten Oktober, war es also soweit. Während das Motorrad schon lange mit dem Schiff nach Südamerika unterwegs war, bestieg ich ganz unspektakulär ein großes Passagierflugzeug der Iberia. Ohne großes Tamtam hatte ich Deutschland verlassen. Es gab keine große Party noch sonst welche feierlichen Anlässe. Ich verabschiedete mich von Freunden und Familie – klar. Hier und da sind auch einige Tränen geflossen. Dennoch war es eigentlich ein Tag wie jeder andere. Dieser erste Tag! Mein Aufbruch die Welt zu bereisen. Ein Jahr voller Erlebnisse liegt hinter mir. Ein Jahr dem noch weitere folgen sollen. Höchste Zeit einige Gedanken nieder zu schreiben. Von heute auf morgen lies sich mein Verstand gar nicht so leicht auf diese neue Art zu leben umstellen. Die Ankunft in der Wirklichkeit, im Weltreiseleben, hat doch eine Weile gedauert.

Meine Reise begann in Chile, führte mich über Argentinien, Bolivien, Peru und Paraguay bis nach Brasilien. Hier bin ich nun schon mehr als drei Monate vor Ort. Das Visa ist nunmehr abgelaufen und mehr oder weniger „illegal“ lebe ich jeden Tag aufs Neue in meinem kleinen Weltreisewunderland. Abenteuer und Freiheit. Der große Traum wird Wirklichkeit! Wie auch immer, heroische Worte. Am Ende lebe ich auch hier im Alltag, eben nur etwas anders.

Dieser 10te Oktober 2013 war aber nicht wirklich der Beginn meiner Reise. Alles begann mit einer Idee, mit einem Gedanken der langsam in mir gedieh! Schon vor vielen Jahren. Wie ein Bild, welches über lange Zeit mehr und mehr an Gestalt annimmt. Der Traum der Großen Reise im Gedanken. Manche nennen es die „Innere Reise“.

 

Auspuff

 

Viel war ich schon herum gekommen, hatte schon einige fremde Länder unseres Planeten gesehen. Es waren meist kurze Reisen. Für einige Wochen oder wenige Monate. Hier und da vielleicht eine Geschäftsreise. Nicht das diese Trips keinen Spaß gemacht hätten, war ich doch einfach froh mehr von unserer Welt zu sehen. Aber es fehlte immer etwas! Eine Kleinigkeit – die letzte Prise Salz in der Reisesuppe. Der letzte Funken von Freiheit. Heim- oder Fernweh? Welches Gefühl treibt einen Menschen mehr an? In meinem Fall wohl das Zweite. Nur wer die Heimat verlässt, alles aufzugeben bereit ist, dem wird sich dieses besondere Gefühl von Freiheit auftun! So dachte ich mir das zumindest. Irgendwann soll es also anders sein. Ich werde einfach losfahren, ohne Zeitlimit, ohne Verpflichtungen, ohne detaillierte Routenplanung. Wie das wohl sein wird, um die Welt zu fahren und sich treiben zu lassen?

Das Alltagsleben der Heimat hatte mich über viele Jahre eingenommen, mich beim vollenden des Gemäldes immer wieder unterbrochen. Dem wohl wichtigsten Schritt vor solch einer Reise, dem festen Entschluss, es hier und jetzt auch anzupacken, viel mir im Nachhinein betrachtet ziemlich schwer. Am Ende hatte das tiefe Verlangen im Herzen aber gewonnen.

 

Träume sind zum Leben da – man darf Sie nur nicht vergessen!

Straße Altiplano
Sicht über den Motorradreifen auf eine Strecke im Altiplano
Wrack auf Stelzen
Wrack auf Stelzen

 

So fahre ich also eines Tages los. Alleine gen Norden. Chile – das erste Reiseland. Die Straßen sind lange und einsam. Im Westen geht die Sonne über dem Meer unter, zum Osten hin erstreckt sich die trockene Wüste der Atacama. Für mehrere Wochen ist Wasser das wichtigste Gut. Spätestens als ich alleine zwischen hohen Dünen fahre, wird mir die Unwirklichkeit dieser Gegend bewusst. Ohne Wasser kein Leben. Kein Ort für Menschen. Die ersten Monate meiner Reise sind ziemlich abenteuerlich geprägt. Ich versorge mich soweit als möglich autark. Einer meiner Motorradkoffer ist zum Großteil für Wasser und Lebensmittel reserviert. Bis zu zwei Wochen kann ich überbrücken. Das gibt mir die Möglichkeit auch lange Wüstenpassagen in aller Ruhe zu bereisen. Ruhe die man sich nehmen sollte. Ruhe die einem die schönsten Orte unseres Planeten in aller Klarheit und Reinheit darbietet.

Bald befahre ich auch schon das Hochland von Bolivien. Ich lege selten mehr als 50 Kilometer am Tag zurück und suche mir immer schöne Campingplätze in der Wildnis. Es fällt leicht in die fremde Welt einzutauchen. Ich koche abends im Freien, lese vielleicht ein Buch oder fotografiere. Es ist auch viel Zeit zum Nachdenken. Wie noch nie zuvor in meinem Leben denke ich einfach nach. Über die Welt und mich, über dies und das. Je mehr Kilometer ich auf den Straßen Südamerikas verbringe, desto mehr neue Gedanken beschäftigen mich. Mehr und mehr begebe ich mich auch auf eine innere Reise. Jeder Kilometer bringt neue Eindrücke mit sich. Oft passiere ich kleine Dörfer, verlassene Städte mit nur wenigen, sehr zurückhaltenden Menschen. Sie leben ein anderes Leben. Manchmal fühle ich mich wie ein Astronaut auf einem anderen Planeten. Genau so muss ich wohl auch mit meinem imposanten Motorrad auf die Einheimischen wirken.

 

Guten Morgen Salar
Frühstück vor dem Zelt im Salar de Uyuni

 

Meine Reiseroute entwickelt sich doch sehr unüblich. Erst in den Norden, dann wieder in den Süden. Planlos, spontan eben. Effizienz ist etwas anderes. Somit führt mich meine Route vom Altiplano in den Norden Argentiniens und später weiter bis in das südliche Patagonien. Weit weniger einsam bin ich unterwegs. Gerade im Norden lerne ich viele Menschen kennen. Mein Spanisch hat sich deutlich verbessert. Ganz ungezwungen und frei lasse ich mich gerne auf Gespräche ein. In keinem Land wurde ich so oft eingeladen wie in Argentinien. Auf einen Mate, Assado oder auch einmal ein Bier. Hier scheint immer Zeit zu sein, um fremde Menschen kennen zu lernen. Die Straßen sind lange, oft unasphaltiert und langweilig. Der Wind bläst einen fast von der Piste. Die Fahrt bis zum Ende der Welt ist anstrengend. Belohnt wird man mit bilderbuchartigen Landschaften. Spätestens an diesem Punkt meiner Reise spüre ich langsam dieses besondere Gefühl der Freiheit aufkommen. Jegliches Zeitgefühl verschwindet. Oft stehe ich vor verschlossenen Geschäften und wundere mich. „Ach ja – muss wohl wieder Sonntag sein!“ Der Tagesablauf ist schon lange mehr vom Sonnenlauf geprägt als von Kalender oder Uhrzeiten.

Vom Süden Chiles zurück in den Norden Argentiniens. Diesmal den westlichen Teil davon. Ich will zurück nach Bolivien. Das Altiplano hatte mich einfach verzaubert. Wieder im Abenteuermodus erforsche ich das Hochland noch einmal auf anderen Routen. Die dünne Luft, die klaren Sternenhimmel, der ganze Charakter des Landes fasziniert mich. Aber ich muss kämpfen. Schwitzend fahre ich durch tiefen Sand, über steinige Pisten und überquere riesige Salzseen. Hier und da noch eine tiefe Flußdurchfahrt. Zur Nacht ist es eisig kalt. Für Abwechslung im Motorradalltag ist gesorgt. Auch den letzten Zipfel der Atacama will erkundet sein. Der Süden Perus. Ich befahre den tiefsten Canyon unseres Planeten, treffe noch mehr nette Menschen und finde überall Sand in den Ritzen. Irgendwann hab ich schließlich genug davon. Es wird Zeit für einen Wechsel. Ich blicke ein letztes Mal von der Wüste auf den pazifischen Ozean und fahre gen Osten. Der Atlantik mein Ziel. Von Küste zu Küste sind es mehr als 3500 Kilometer.

 

Flaggenkinder
Flaggenkinder
Java und BIker
Mann auf seinem Motorrad in Bolivien Altiplano

Ich lerne eine andere Seite Boliviens kennen. Das tropisch-heiße Tiefland. Die Menschen sind plötzlich weit weltoffener, einladend und auch temperamentvoller. Es ergeben sich Bekanntschaften. Freundschaften entstehen. Feste werden gefeiert. Mehrere Wochen verbringe ich nahe der Grenze zu Paraguay. Irgendwie zieht es mich nicht weiter. Bolivien hat mich von allen bisherigen Ländern am meisten verzaubert. Das Visum ist schon lange abgelaufen. Ich bin über der Zeit. Um den Grenzkontrollen Boliviens zu entgehen reise ich ziemlich abenteuerlich über den alten Transchaco Highway nach Paraguay aus.

Paraguay erlebe ich als Durchlauferhitzer auf dem Weg nach Brasilien. Die Straßen sind uninteressant, die Landschaften von starker Landwirtschaft geprägt. Um die schönen Ecken des Landes zu erkunden bleibt keine Zeit. Zeitdruck? Warum? Die ganze Welt verfolgt die Fußball Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. So nahe vor Ort will ich natürlich auch etwas von der Atmosphäre aufnehmen. Mein Motorrad erhält einen wohlverdienten Service, 30000 Kilometer sind es schon, danach geht es auch direkt weiter nach Rio de Janeiro.

Der Fußball bestimmt für fünf Wochen den Alltag. Grün und Gelb wohin man schaut. Wilde Partys auf den Straßen. Am Ende hatte ich es sogar noch in die Stadien geschafft. Sowohl beim historischen 7:1 Halbfinalspiel, als auch beim Finalspiel und Sieg im legendären Maracana war ich live dabei! Was für großartige Erlebnisse! Weltreisepause. Die eigentliche Brasilienreise beginnt erst nach der WM.

 

Bulliweg
Bulliweg

 

Portugiesisch spricht sich anders als Spanisch. Funkstille. Der Kontakt zu den Menschen fehlt. Kaum ergeben sich Gespräche. Zum ersten Mal auf der Reise überkommt mich ein starkes Gefühl von Einsamkeit. „Was ist denn auf einmal los?“ Es muss sich was ändern! Intensiv erlerne ich also die Landessprache. Kaum ist das Verständigungsproblem halbwegs beseitigt, eröffnet sich mir ein ganz neues Land. Brasilien ist groß – nein riesig. Genau so groß und riesig sind auch die Herzen der Menschen. Drei Monate Visa werden hier niemals reichen. Zuviel gibt es zu erleben. Brasilien verändert scheinbar alles. Ich kann nicht sagen ob es an den vielen Reisemonaten liegt oder am Land selber. Ich fühle mich innerlich tief bewegt. Immer tiefer in eine andere Welt hineingezogen. Was konnte ich schon alles erleben! Höhen und Tiefen, starke Gefühle. Fast täglich lerne ich neue großartige Menschen kenne. Es ist sehr inspirierend hier zu reisen.

Seit vielen Wochen bin ich nun scheinbar in Lencois, einem kleinen Städtchen inmitten der Chapada Diamantina, gestrandet. Für Katze steht wohl eine Herztransplantation an, was mit einigem organisatorischen Aufwand verbunden ist. So wie meine Reise zu Beginn von großen Motorradabenteuern geprägt war, so bestimmt gerade viel mehr das normale Leben Brasiliens meinen Alltag. Ein Jahr auf Reise. Ich nehme mir viel Zeit für die Menschen um mich. Jedes noch so unscheinbare Gespräch, jede neue Bekanntschaft bereichert meinen Tag. Weit mehr, als in all den zuvor bereisten Ländern, fühle ich mich Teil der Welt um mich zu sein. Hier bin ich nicht nur Zuschauer, ein Reisender, welcher schon mal gerne an vielem vorbei fährt. Sicherlich wird mich Brasilien noch für eine Lange Zeit fesseln. Irgendwann wird es aber weiter gehen müssen und ich werde abschied vom Garden Eden der Chapada nehmen müssen. Weiter gen Norden.

Ich bin gespannt was das nächst Jahr für mich zu bieten hat. Spannend wird es sicherlich bleiben.

 

Sosseco
Sosseco

 

Ich wünsche euch was!

Martin

 

3 Kommentare on Ein Jahr auf Weltreise

  1. Hallo Martin,
    du hälst dich ja wirklich lange in Brasilien auf, wenn es Spaß macht dann mach weieter so!!

    Ich werde voraussichtlich im Oktober wieder über USA, Mexiko, Panama nach Kolumbien anreisen.
    Es könnte ja möglich sein, dass wir uns wieder über den Weg laufen werden??
    Wenn es bei mir wahr werden sollte melde ich mich wieder bei dir!!

    Und jetzt weiter viel Spaß und tolle Erlebnisse.

    Gruß Hans

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Hier mal das kleine Video zum Sundowner vor zwei Tagen. Durch die Chapada Diamantina zu fahren…